Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
hinzu: „Betsy hat ihm endlich gesagt, dass er nicht mehr kommen darf. Wir werden also keine Schwierigkeiten mehr mit ihm haben.“
Als der Wagen einige Minuten später anrollte, schaute Kathryn sich noch einmal um. Sie umklammerte den rauen Holzsitz mit einer Hand und winkte mit der anderen. Annabelle stand in der Gasse und hob die Hand. Kathryns Kehle zog sich zusammen. Hatte Gott nicht gewollt, dass sie mehr in Annabelles Leben bewirken sollte? Sie hatte das Gefühl, versagt zu haben, weil sie Annabelle an diesem grausamen, hoffnungslosen Ort zurückließ. In einem Leben, das so voll Brutalität und egoistischer Begierde war.
„Manchmal können Menschen wirklich böse sein“, sagte Gabe leise, der mit nachdenklicher Miene neben ihr saß. Er zog an den Zügeln und lenkte den Wagen um eine Kurve.
Kathryn drehte sich auf der Bank um und schaute nach vorne. „Das habe ich auch gerade gedacht.“ Larson hatte das früher immer wieder gesagt. Sie wünschte, ihr Mann hätte die Großzügigkeit erleben können, zu der Menschen auch fähig waren, statt schon in seiner Kindheit so viel Verrat und Brutalität ertragen zu müssen. Vielleicht wäre dann zwischen ihnen einiges anders gewesen.
Als sie sich dem Stadtrand näherten, erblickte Kathryn einen alten Mann. Der klapprige Handwagen, den er hinter sich herzog, verriet, dass er ein fahrender Händler war. Sie hatte solche Händler schon früher gesehen, wenn sie mit Larson in der Stadt gewesen war. Unter anderen Umständen wäre sie gern zu dem runzeligen, alten Mann hingegangen und hätte ihn nach seinen Waren gefragt. Beim Gedanken, wie Larson darauf reagiert hätte, wurde ihr warm ums Herz, und sie zog die Spieluhr aus ihrer Rocktasche. Sie drehte zweimal den Schlüssel und die bekannte Melodie ertönte.
„Das ist mein Lieblingsweihnachtslied, Miss Kathryn“, sagte Gabe, als die Musik endete.
Sie nickte. „Meines auch, Gabe.“
Larson hatte immer zu ihr gesagt, dass diese fahrenden Händler nur Müll verkauften, aber er hatte dennoch gelächelt, wenn er ihr zugeschaut hatte, wie sie mit ihnen sprach und die Waren begutachtete. Und bei den seltenen Malen, wenn sie tatsächlich etwas gekauft hatte, hatte sie sich auf sein leidendes Kopfschütteln fast gefreut, mit dem er ihr wieder in den Wagen geholfen hatte. Der sanfte Druck seiner Finger um ihre Hand hatte ihr allerdings verraten, was er wirklich dachte.
Larson hatte ihr auf vielerlei Weise seine Liebe gezeigt. Auf eine einfache, authentische Weise. Kathryn wünschte nur, sie hätte damals besser darauf geachtet.
Kapitel 16
D ie umzäunte Grenze von Casaroja begann, als sie die Stadt ungefähr zwanzig Minuten hinter sich gelassen hatten, und begleitete Kathryn und Gabe auf dem Rest der einstündigen Fahrt. Kathryn war gespannt, wie das Haus wohl aussehen würde. Vor ihrem geistigen Auge sah sie das Haus, das sie und Larson eines Tages miteinander gebaut hätten. Aber als das Haupthaus von Casaroja in ihrem Blickfeld auftauchte, stand ihr vor Erstaunen der Mund offen.
Das Haus stand auf einer Erhöhung, die sich leicht von der Ebene im Osten abhob, und war viel größer, als sie es sich in ihrer Fantasie hätte vorstellen können. Kein Wunder, dass Miss Maudelaine auf ihre Frage, wie sie es finden würde, gelächelt hatte!
Es war ein zweistöckiges Haus mit rotem Ziegeldach, weiß gestrichenem Holz und grauen Gauben. Casaroja leuchtete wie eine Perle in der staubigen, braunen Prärie. Die massiven, weißen Säulen, die die riesige obere Veranda stützten, glänzten in der goldenen Sommersonne. Miss Maudelaine hatte recht gehabt: Casaroja konnte man nicht verfehlen.
Gabe lenkte den Wagen zur Rückseite des Hauses herum. Er half ihr auszusteigen. Dann trug er ihre Truhe zur hinteren Veranda.
„Ich muss in die Stadt zurück, Miss Kathryn“, sagte er und stieg wieder in den Wagen.
Kathryn nickte und wünschte, er könnte noch eine Weile bleiben. Sie fühlte sich bei ihm … sicher.
„Passen Sie gut auf sich auf, Miss Kathryn. Und auf Ihr Baby“, fügte er leise hinzu und verzog den Mund auf seine typische wissende Art. Er schaute zum Haus, dann zu den Ställen und zu den Weiden. Ein Funkeln lag in seinen Augen, als wüsste er ein Geheimnis, das sie erst noch entdecken musste.
„Was ist?“, fragte Kathryn und wunderte sich über das Grinsen in seinem Gesicht. Sie kniff fragend die Augen zusammen.
Er schüttelte den Kopf. „Ich komme Sie bald besuchen.“ Mit diesen Worten ließ er die Zügel
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