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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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dass ich den Bogen überspannt hatte.
    Der Mann aus Clare sah mich an, als wüsste er genau, wovon er sprach. – Ein Kissen auf das Gesicht deiner Frau, während sie dich zwingen zuzusehen – wenn so was nicht weh tut ...
    – Nicht so heftig, sagte Campion.
    – Oder deine Tochter, sagte der Mann aus Clare.
    Sein Gesicht war mir so nah, dass ich es nicht erkennen konnte.
    – Sie würden ihr vor deinen Augen das Gehirn wegpusten, sagte er und holte eine Kippe aus der Schachtel. Ich musste warten, bis er sie angezündet hatte.
    – Gerade jetzt, wo
wir
uns wieder näherkommen, sagte er.
    Er zitierte meine Tochter, sagte genau das, was sie vor einer Stunde zu mir gesagt hatte, als wir neben Miss O’Shea saßen. Das Zimmer im Heim war verwanzt, und ich war ein Trottel.
    – Und vorher würden die sich noch an ihr vergreifen.
    – Würden sie nicht, brachte ich mühsam raus.
    – Ach nein?
    – Das würden sie nicht machen.
    – Hast recht, sagte er. – Glaube und Familie, nicht? Sie würden deine Tochter an eine Düngemittelbombe schnallen, aber nie da anfassen, wo man nicht anfassen darf. Denn das wär eine Sünde. Sie umzubringen wär in Ordnung, weil sie das Blut von deinem schlechten Blut ist, damit würden sie sich rausreden.
    Er lächelte. – Du kannst uns also noch nicht wegsterben, Henry, wir sind auf dich angewiesen. Und jemand anders auch.
    Er tätschelte meine Wange und schlug zu.
    – Okay?
    – Nicht so grob, sagte Campion.
    Ich nickte.
    – Na also, sagte der Mann aus Clare. – Aber weißt du was? Wir haben immer noch nicht die Antwort auf unsere eigentliche Frage. Warum du? Warum haben sie dich heiliggesprochen, wo sie doch schon Archer hatten? Sie haben dich aus dem Zylinder gezogen, dich erfunden. Warum?
    Ich hatte eine Antwort.
    – Die Hungerstreiks und die Wahlen – das ist zu viel für einen.
    – Möglich, sagte er. – Aber das reicht nicht.
    Er klopfte mir auf die Schulter.
    – Ich brauche die Antwort. Sonst müssen wir die Sache abschreiben und weitermachen. Hast du mich verstanden?
    – Yeah.
    – Ich brauche die Antwort, Henry. Und ich will dir mal was sagen ...
    Er wartete, bis ich ihm voll ins Gesicht sah.
    – Hier hat mehr als einer die Seiten gewechselt, sagte er. – Das ist meine These.
    Sie hatte stundenlang geredet.
    Niemand kam herein, um nach ihrer Mutter zu sehen. Es wäre zwecklos gewesen. Sie war so starrköpfig wie eh und je und jetzt auch noch unbeweglich. Sie war wie aus wunderschönem Holz geschnitzt. Sie war tot, aber sie würde uns überleben.
    Ich saß da und hörte zu und fing an, meine Tochter zu mögen.
    Sie lebte in Chicago.
    – Wo?
    – Oak Park.
    – Da bist du wieder hingezogen.
    – Ja, sagte sie.
    Dort hatte sie mit ihrer Mutter gewohnt, als ich die beiden gefunden hatte – als ihre Mutter mich gefunden hatte.
    – Im gleichen Haus? Bei Missis Sowieso?
    – Missis Lowe, sagte sie. – Nein, nicht da.
    – Inzwischen ist sie wahrscheinlich tot.
    – Schon lange.
    – Erzähl weiter.
    Sie war mit einem Mann verheiratet, der fünfzehn Jahre jünger war als sie. Tochter deiner Mutter, hätte ich fast gesagt, verkniff es mir aber. Sie erzählte mir das auf die amerikanische Art, mit einem fast stolzen Seufzer. Sechzig Jahre alt, mehr oder weniger – und versuchte, ihren Vater zu provozieren. Sie sah sich als Künstlerin – sie
war
eine Künstlerin –, aber sie verkaufte auch Immobilien. Sie liebte Stoffe. Ihr Leben verlief sehr regelmäßig, erzählte sie. Ihr Leben – das war ihr Webstuhl, waren ihre Hunde.
    Ich sah zu ihrer Mutter hinüber, aber die hörte nicht hin.
    Die Hunde hatten Namen. Taft, Max, Holly. Nicht Connolly, Pearse und Collins. Taft, Max, Holly und Satchmo.
    – Satchmo?
    – Ja.
    – Ist er schwarz?
    – Also bitte, sagte sie mit dramatisch aufgerissenem Mund. Es fiel mir schwer hinzuschauen. Ich sah den Geist meines Kindes.
    – So läuft das nicht, sagte sie.
    Warum dann der Name, hätte ich gern gefragt. Um sie an jene erste Zeit in Oak Park zu erinnern, als ihr Vater eine Reisetasche gepackt hatte und sie verlassen hatte, um Louis Armstrong zu folgen?
    Ich fragte nicht.
    Sie sah mich nicht an beim Erzählen. Sie richtete ihre Worte ans Fenster und an die Füße ihrer Mutter. Nur ab und zu warf sie mir einen Blick zu, registrierte, wie gerade der Alte sich hielt, wie er sich mühte zu verbergen, dass ihm der Rücken weh tat und er sich langweilte, dass ihm das aber nichts ausmachte.
    Als sie auf der Toilette war, sah ich vom Gang

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