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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Ratheen – das war ein Zufall.
    – Ist dir je der Gedanke gekommen, damals in Roscommon noch ein Stück weiter zu gehen und bei Onkel Ivan zu klopfen?
    – Ja.
    – Aber gemacht hast du es nicht.
    – Nein.
    Sie seufzte. – Jedenfalls bin ich froh, dass du sie gefunden hast.
    – Aber es war vergeudete Zeit.
    – Deshalb bin ich ja hier, sagte sie.
    – Stimmt. Aber das hier ist nicht dein Zuhause. Mach dir nicht meinetwegen dein Leben kaputt.
    – Keine Bange.
    Sie ist eine nette Frau, musste ich plötzlich denken und lachte. Sie lachte nicht mit, aber sie lächelte.
    – Du willst mich wieder zurückschicken, sagte sie. – Wo wir uns gerade wieder näherkommen.
    – Schon gut.
    Sie stand auf, und ich folgte ihr in Ivans Zimmer. Auch er lag im Sterben und war weiter als die Frau nebenan. Sein Gesicht war rot wie Vorhänge im Puff. Er moderte schon vor sich hin, noch ehe es zu Ende war. Der Geruch war eine Zumutung für einen alten Mann. Aber ich sagte nichts. Saoirse liebte ihn. Er hatte sie als Baby allein bei ihrer toten Großmutter gefunden, als ihre Mutter im Knast saß und ich aus Irland geflohen war. Er hatte ihr ein Zuhause gegeben, während ich in der Wüste so tat, als hätte ich eine Geschichte, die erzählt werden musste, mich übertölpeln ließ und dabei noch glücklich und zufrieden war.
    Ich blieb neben ihr stehen und konnte nur hoffen, dass sie sich nicht hinsetzen und erwarten würde, dass ich ihr Gesellschaft leistete. Ich wollte nach Hause und in mein Bett und eine Nacht durchschlafen.
    Sie blieb eine Minute – vielleicht betete sie. Dann ging sie raus und ich hinterher. Unten in der Halle kramte sie in der großen Schultertasche, die sie immer dabeihatte, einem Ding aus haarig-wuscheliger Wolle, das aussah, als würde es aufhören, Tasche zu sein, wenn man nicht hinsah.
    – Hast du die selber gemacht?
    – Meine Tasche?
    – Selbst gewebt? fragte ich.
    – Ja, genau.
    – Hübsch.
    – Danke, sagte sie.
    Sie holte Schlüssel heraus. – Kann ich dich irgendwohin mitnehmen?
    Sie hatte wohl einen Wagen gemietet, oder vielleicht fuhr sie den von Ivan – keine Ahnung.
    – Nein, sagte ich. – Nein, danke, alles bestens.
    Sie war enttäuscht, das sah ich ihr an. Aber sie lächelte. Ein gewohnheitsmäßiges Lächeln, das wusste ich nun schon.
    – Morgen? fragte sie.
    – In Ordnung. Ich bin hier.
    Warum ließ ich mich nicht mitnehmen? Ich setzte mich wieder mal ab. Der Bus wartete.

11 | Der Streik war gescheitert, aber sie ließen mich nach wie vor arbeiten. Nicht so gnadenlos wie im Frühjahr und Sommer 1981, als die Hungerstreikenden zu Kandidaten geworden waren und die Todesfälle immer unüberschaubarer wurden. Die Hetze quer durchs Land, die matschigen Tüten mit Huhn und Fritten morgens um zwei oder drei (außer in Dublin machte einem keiner ordentliche Fritten), der Wettlauf gegen den Tod, der Versuch, seine Sinnlosigkeit, seine Obszönität nicht zur Kenntnis zu nehmen, besonders als die Wahl vorbei war und auf die Siege nichts folgte – viel mehr davon hätte ich nicht ertragen. Aber die Männer starben weiter – Joe McDonnell, Martin Hurson, Kevin Lynch, Kieran Doherty, Thomas McElwee, Michael Devine –, und ich stand auf Podien und sah auf mein geschrumpftes Publikum herunter. Jede Nacht gab es Aufstände in Belfast und den anderen Städten im Norden, immer wieder tote junge Männer, und eine große Revolte in Dublin an einem heißen Samstagnachmittag im August. Eine Katastrophe. Wir hatten die Britische Botschaft zum zweiten Mal in zehn Jahren abfackeln wollen (das letzte Mal hatten wir das 1972 geschafft, ein paar Tage nach dem Bloody Sunday in Derry), stattdessen gab es eine verheerende Niederlage, bei der die Bullen ihre Dienstmarken abnahmen und sich mit Stiefeln und Schlagstöcken ins Getümmel stürzten. Drei große Lümmel in Bomberjacken, die sich tapfer auf den Füßen hielten, während ihnen Köpfe und Arme kaputtgeschlagen wurden, eskortierten oder vielmehr trugen mich aus Ballsbridge raus. Ich wollte ihnen sagen, dass der Fluss uns helfen würde wie damals, als mein Vater mich und Victor vor den Schlagstöcken der feisten Großväter dieser Arschlöcher in Kampfausrüstung gerettet hatte. Wir brauchten nur über die Mauer da drüben zu klettern und durch ein Loch hinter dem Busch in den Untergrund, dann waren wir ratzfatz in Beggar’s Bush. Aber sie hörten mich nicht oder verstanden mich nicht – vielleicht hatte ich auch mit mir selber geredet, denn sie brachten

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