Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
Vom Netzwerk:
aus den Bus der G-Men in der Einfahrt stehen. Der Motor lief, aus dem Auspuff kamen graue Abgase.
    Dann war sie wieder da und erzählte weiter. Für sie hatte das Leben mit ihrem fünfundzwanzigsten Jahr angefangen. Es war nicht so, dass sie ihre Kindheit und die Wanderungen oder die Last, die ihr Name bedeutete, geleugnet oder beiseitegeschoben hätte. Sie hatte all das gelöscht, es war nicht mehr da. Ihr war gelungen, was ich nicht geschafft hatte, als ich nach Amerika gegangen war: Sie hatte sich neu erfunden, ohne dass eine Vergangenheit oder sonst was sie zurückholte. Dafür braucht man Jahre und muss obendrein ziemlich verrückt sein.
    Ihre Stoffe und ihre Hunde.
    Im Bus draußen wurde der Motor angelassen. Regen pladderte an die Fensterscheibe.
    Sie war Amerikanerin. Sie sprach über ihre Hunde und wusste, dass sie faszinierend war. Ihre Welt
war die Welt
.
    –
Wie heißt dein Mann?
    – Benjamin, sagte sie.
    – Ist er auch hier?
    – Nein.
    – Hütet die Hunde?
    – Ja. Er liebt sie sehr.
    Sie kam nur selten aus Oak Park heraus, erzählte sie. Ihr Tag umfasste die eineinhalb Blocks vom Büro zu ihrem Haus. Die Hunde kamen mit, auch zu den Häusern und Wohnungen, die sie verkaufte und die alle in oder in der Nähe von Oak Park waren. Die Kunden hatten es gern, wenn die Hunde in den leeren Häusern herumrannten, die Hundepfoten klapperten künftiges Glück auf den Parkettboden. Die eigentlichen Hausverkäufer waren die Hunde.
    Ich grinste und spürte, wie sich vergessene Muskeln regten. Sie klang wie ich damals, der junge Mann mit den breiten Schultern und den Reklametafeln, der die neue Welt verkaufte und der alten den Rücken gekehrt hatte.
    Sie arbeitete, sie kam nach Hause.
    – Habt ihr Kinder? fragte ich.
    – Nein.
    Eine Weile schwieg sie. Und ich auch. Ich war kein Großvater. Der Regen pochte.
    – Als du im Fernsehen warst, sagte sie, – war das die Haltung von früher, glaube ich. So hast du unter der Tür der Güterwagen gestanden und in die Welt hinausgesehen. Als ob sie dir gehörte.
    Ich hielt den Mund fest geschlossen.
    – Komisch, sagte sie. – Ich musste es auf der Mattscheibe sehen, ehe ich es akzeptieren konnte. Aber da warst du nun, und das Wort sprang in meinem Kopf auf.
Vater.
    – Ich bin nicht gestorben, sagte ich.
    – Doch. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die Worte vertreiben, ehe sie entstehen konnten.
    – Nein, sagte sie. – Ich weiß.
    Sie sprach so leise, dass ich den Satz mehr sah als hörte.
    – Zumindest
wusste
ich es. Du warst am Leben.
    Sie sah mich immer noch nicht an.
    – Aber du bist nicht zurückgekommen.
    Ich wollte es ihr erklären, mich rechtfertigen. Aber das wäre nicht richtig gewesen, und ich wusste es. Fünfzig Jahre zu spät. Ich dachte wie ein Vater.
    – Jeden Morgen hab ich am Fenster gestanden und nachgesehen, ob du darauf wartest, dass ich dir aufmache, sagte sie. – Jahrelang habe ich mich ständig umgedreht. Du ahnst ja nicht, wie oft man mich gefragt hat, ob ich jemanden suche. Wie viele Leute – Männer! – mich abgeschrieben haben, weil sie nicht mit dem Typen leben konnten, der hinter mir stand. Und meine Mutter ...
    Sie schaute ihre Mutter auch jetzt nicht an, sondern starrte aus dem Fenster in den Regen.
    – Inzwischen mache ich ihr keine Vorwürfe mehr. Sie musste weiterziehen. Aber ich habe mich nicht vom Fleck gerührt. Du warst am Leben, und deine Heimkehr war nur eine Frage der Zeit.
    Zunächst mal war das alles. Ich tätschelte den Arm ihrer Mutter. Ich sah Saoirse an und sie mich.
    –
Sie
hat dich gefunden, sagte sie.
    – Mehr oder weniger.
    – Das ist gut.
    – Yeah, sagte ich.
    Das war schwach – sie hatte mehr verdient.
    – Wir ..., setzte ich an.
    Ich blickte Miss O’Shea an und nahm ihre Hand. Die reagierte nicht.
    – Wir haben schrecklich viel Zeit vertan, sagte ich. – Wir wussten beide Bescheid. Aber wir haben uns dämlich benommen. Ich zumindest. Sie hatte wohl mehr zu verlieren. Ihren Namen und – ja, so was wie ihren guten Ruf. Von Rechts wegen hätte sie mich umbringen müssen. Aber dann war sie es, die an meine Tür geklopft hat.
    – Aber du hast doch auch nach ihr gesucht, sagte Saoirse.
    – Nein, damals nicht. Als ich zurück war, bin ich nach Roscommon gefahren, weil ich so halb und halb hoffte, ihr würdet dort sein. Alle drei.
    Sie nickte.
    – Ich habe keine Spuren mehr gefunden, sagte ich, – das alte Haus war weg. Aber das ist keine Entschuldigung. Dass ich sie hier gefunden habe, in

Weitere Kostenlose Bücher