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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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er.
    Mit der anderen Hand tastete er nach meinem Kopf und zog ihn noch näher an seinen Mund heran.
    – Du warst immer nur ein Renegat, sagte er. – Wir halten den Mund.
    Ich hätte ihm die Finger brechen können, nur versuchte er immer noch, das mit meinen zu machen.
    – Wir hören auf, wenn ich bis drei gezählt habe, sagte er.
    In seinem Gesicht hatte sich nichts bewegt. In meinem auch nicht. Bei alten Nerven dauert es länger, bis der Schmerz sich bemerkbar macht.
    – Eins, zwei. Drei.
    Wir ließen beide gleichzeitig los, Beifall und Gejohle hallten durch die Nacht. Die junge Hand, die Dinnys Hand in meine gelegt hatte, nahm jetzt seinen Arm und führte ihn weg. Es war die Hand einer Frau. Sie sah sich nach mir um und lächelte. Ich wäre gern Dinny gewesen.
    Der Mann mit dem Bart war neben mir.
    – Das war unglaublich, sagte er.
    Ich nickte.
    – Schön, Denis wiederzusehen, was?
    – Ja, schon, sagte ich. Ich hatte überlebt, war immer noch der Letzte der Rebellen. Aber Dinny war es auch.
    – Denis Archer hat mal die Seiten gewechselt?
    – Yeah.
    – Zum ersten und einzigen Mal im Leben, sagte der Mann aus Clare. – Meine Fresse!
    Er sah Campion an.
    – Du weißt, was das bedeutet, nicht? fragte er.
    – Eine historisch völlig neue Lage, sagte Campion.
    – Wenn es stimmt.
    – Es stimmt, sagte ich. – Er war für den Vertrag. Er hätte mich umgelegt, wenn ich nicht schneller gewesen wäre als er.
    – Er war für den Vertrag, sagte der Mann aus Clare, – als es den Vertrag noch gar nicht gab. Aber schön, das sind Haarspaltereien.
    – Damit könnten wir sie erledigen, sagte Campion.
    – Die ganze Bande, bestätigte der Mann aus Clare. – Und wir könnten nach Hause gehen und uns schlafen legen.
    Sie waren aufgekratzt wie Jungs mit einem Frosch im Marmeladenglas.
    Wir saßen wieder im Bus. Die einzigen Fahrgäste. Der Mann aus Clare sah mich an.
    – Wir können mit dem, was du uns gesagt hast, den Fall abschließen, Henry. Du bist ein Betrüger. Und jetzt ist auch Archer ein Betrüger. Die republikanische Religion ist auf zwei faustdicken Lügen aufgebaut.
    Campion schlug mir auf den Rücken.
    – Aber Dinny war wirklich Abgeordneter, wandte ich ein.
    – Aber er hat die Seiten gewechselt, sagte der Mann aus Clare. – Er hat einen Makel. Denk an all die Armleuchter, die ihn anhimmeln. Buchstäblich. O’Brádaigh. O’Connaill mit seinem Scheißtrenchcoat. Die Pfaffen. Wenn sie das rauskriegen, sind sie am Boden zerstört. Archer hat die Seiten gewechselt, das muss man sich mal vorstellen. Eine Todsünde. Schlimmer als jeder Kompromiss.
    Er lachte.
    – Ein paar Worte mit unseren Kollegen von der Presseabteilung. Oder noch besser ein Gespräch mit einem bedeutenden Historiker, der etwas Gelehrtes für die
Irish Times
schreibt. ›Archer hat die Seiten gewechselt.‹ Oder: ›Archer hat Vertragsgegner erschossen.‹ Adams und unser kleiner Danny würden sich das Lexikon greifen und nach einer neuen Definition für Legitimität suchen. Und wie stehst du dann da, Henry?
    Ich zuckte die Schultern.
    – Der Letzte der Aufrechten, sagte er.
    Campion schlug mir wieder auf den Rücken.
    – Ein diskreter Tipp von einem unserer Insider: ›Smart war nicht im First Dáil, überprüft das mal.‹ Und dann haben sie niemanden mehr. Keinen Fels, auf dem sie ihre Kirche bauen können. Sie würden dich umlegen, Henry.
    – Würden sie nicht.
    – Wie kannst ausgerechnet du das behaupten?
    – Schlechte Presse.
    Ich war hellwach und sehr vergnügt. Ich hatte gerade zwei Stunden mit meiner Tochter verbracht.
    – Einen alten Mann plattzumachen bringt’s doch nicht, sagte ich.
    – Du bist naiv, Henry. Nach all den Jahren.
    Ich zuckte die Schultern oder versuchte es wenigstens.
    – Nein, sagte ich.
    – Sie würden es bedenkenlos tun, Mann. Sie erschießen Hausfrauen, sie schießen Kindern die Knie kaputt. Schlechte Presse kratzt sie nicht. Sie würden den Journalisten erschießen.
    – Ist mir scheißegal, sagte ich.
    – Ob sie dich umnieten?
    – Ja, sagte ich.
    Und in diesem Augenblick meinte ich es auch so. Sie konnten mich erschießen oder mich mit einem Holzhammer plattmachen. Ich hatte mein Leben gelebt, ich war satt und zufrieden.
    – Sie würden dir weh tun, sagte der Mann aus Clare.
    Er meinte, dass
er
mir weh tun würde. Dem alten Mann im Marmeladenglas.
    Ich zuckte die Schultern.
    – Die wissen, wie sie an dich rankommen, sagte mein Kumpel Campion.
    Ich zuckte wieder die Schultern. Und wusste,

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