Die Rueckkehr des Henry Smart
De Valeras Irland, sagte er. – Wohlgeformte Mädchen und so weiter. Maureen O’Hara. Wohlgeformter geht’s nicht.
– Hat sie es gewusst?
– Nein, niemand hat es gewusst. Außer Mister Ford und unseren Leuten.
– Das hat er mir nie erzählt.
– Er war kein Zuträger.
– Das Arschloch.
– Ich kann dich ja verstehen.
– Dieses beschissene Arschloch.
– Aye.
– Es war doch bloß ein Film, verdammt noch mal.
– Stimmt schon, sagte er. – Aber er ist gut geworden. Besser, als wir zu hoffen gewagt hatten. Hast du ihn gesehen?
– Yeah.
– Wunderschön, nicht? Hinreißend.
– Er ist scheiße.
– Aye. Aber wunderschön.
– Yeah.
– Wunderschön und lustig und unbeschwert. Irland eben.
– Nein.
– Doch. Für Millionen von Zuschauern. Und dann sind sie hergekommen, um es mit eigenen Augen zu sehen. Und wir haben versucht, die Erwartungen zu erfüllen. Jedenfalls ihr im Freistaat habt das getan. Bord Fáilte, alles für die Touristen und so weiter. Irland war der
Quiet Man.
Nicht Dublin oder Belfast oder die Slums oder die Schlangen vor den Auswandererschiffen. Oder die wahre Geschichte von Henry Smart. Die muss anders aufgearbeitet werden, das wird ein anderer Film.
Ich hielt mich an den Tee. Irgendwas musste ich ja machen.
–
The Quiet Man
, Henry, ist die Geschichte Irlands. Katholiken und Protestanten Seite an Seite, Frieden, Freude, Eierkuchen. Fischen und Pferderennen. Das, was sich die Deutschen und all die anderen unter dem Paradies vorstellen. Und sexy obendrein.
Er wurde tatsächlich rot. Das Blut stieg ihm hinter dem Bart ins Gesicht, er ging ein paar Sekunden hinter seinem Becher in Deckung.
– Ich versteh’s immer noch nicht, sagte ich.
– Herr des Himmels! Das Irland, für das deine Generation gekämpft hat, Henry, haben die Briten zerstört.
– Was?
– So haben es die Leute gesehen. Bloody Sunday, die Hungerstreiks. Das Himmelreich in Trümmern. Nur weil die Briten nicht ihre Siebensachen packen und abziehen wollten.
– Ihr hattet das geplant?
– Aye.
– Nein.
– Doch. Nicht so in allen Einzelheiten, aber im Prinzip war das der Plan.
– Verdammte Scheiße.
– Maureen O’Hara gegen Margaret Thatcher. Für welche würdest du dich entscheiden, Henry?
Ich musste grinsen.
– Wir waren immer auf der Gewinnerseite, verstehst du?
– Ja. Doch.
– Du bist beeindruckt?
– Nein.
– Da kann man nichts machen. Aber freuen solltest du dich zumindest.
– Über de Valeras Irland?
– Über unser Irland. Wir haben das Copyright. Wir können damit machen, was wir wollen. Früher oder später.
– Früher oder später?
– Aye. Von den bevorstehenden Gesprächen wissen die meisten von denen, die miteinander reden werden, noch nichts. Gespräche mit Terroristen führen sie nicht, und das müssen wir ihnen glauben. Ich meine nicht die Briten, die sprechen seit jeher mit uns, ich meine die Loyalisten. Aber jetzt werden sie reden, sogar Paisley, und dann ist die Sache gegessen. Sie werden reden, und damit haben sie kapituliert. Sie können ihre Schärpen tragen und das ganze Jahr ihre Märsche veranstalten, und kein Hahn wird danach krähen.
– Das habt ihr alles schon vorbereitet.
– Aye.
– Heilige Scheiße.
– Es passiert nicht über Nacht. Wir haben eine Frist. Du kannst dir denken, welche es ist, Henry.
– Allerdings, sagte ich.
– Nämlich?
– 2016.
– Aye.
Die Zeit verging, wir saßen schon seit Stunden zusammen. Mein Tee war kalt, aber er hatte recht: Ich hatte den Zucker nötig gehabt. Ich hörte es hinten im Nacken knirschen, als ich den Kopf zurücklegte, um an den Bodensatz im Becher zu kommen.
– Bis 2016 wird es also eine Republik mit zweiunddreißig Counties geben, sagte ich.
– Aye. Aber nicht
bis.
Im Jahr 2016.
– Das sind noch dreißig Jahre.
– Aye.
– Und du sagst, dass ihr gesiegt habt.
– Stimmt.
– Also ...
– Warum so lange warten, meinst du?
– Yeah.
– Wir haben gesiegt, aber das weiß niemand. Unsere Analyse ist – zumal aus der Sicht der Republikaner – absolut verrückt. Würden wir sie heute oder morgen an die Öffentlichkeit bringen, würde es Ärger geben. Wir brauchen Zeit. Es gibt viel zu tun. Du bist noch nicht fertig mit deiner Arbeit.
– Und was noch?
– Wir möchten die Unabhängigkeitserklärung in keinem anderen Jahr haben.
– Selbst wenn du das nicht mehr erlebst?
– Es geht nicht um mich, das habe ich dir schon mal gesagt. Ich könnte in Frieden sterben, wenn ich
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