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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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aufeinander losgingen. Ich erzählte ihm, wie wir die jungen Ratten gekocht, die Brühe auf unsere Hände und Arme geschmiert hatten, damit die Rattenmütter leichtsinnig wurden und wir sie besser fangen konnten. Ich erzählte ihm, wie wir die Ratten an die geheimen Plätze am Stadtrand gebracht hatten, wo Männer auf die Ratten warteten, und wie ich meine Hand tief in den Sack mit den Tieren steckte und sie länger als nötig drinließ, während Victor mit einem Hut rumging und das Gewissensgeld einsammelte, wie ich eine rasende Ratte rauszog und über meinen Kopf hielt, wie sie dicht über meiner Kopfhaut die Krallen ausfuhr und wie ich sie dann für die Hunde in die Grube warf und dafür sorgte, dass Victors Hände und Arme rattenrein waren, ehe wir uns zum Schlafen in einen der Winkel legten, die wir Nacht für Nacht neu ausguckten. Ich war fertig. Meine Story hatte ihre Hunde.
    Er sagte nichts. Er saß still da und sah mich an. Und ich wusste: Victor würde es nicht schaffen. Mary Kate würde einen Bruder haben, aber Henry Smart nicht. Henry musste ein Einzelgänger sein. In dem Moment war ich ein Autor und hatte meinen zweiten Bruder umgebracht. Vorwürfe würde ich Ford später machen, aber ich wusste genau, was lief.
    Er stand auf.
    – Das war gut, sagte er.
    Er legte mir eine Hand auf die Schulter.
    – Du musst mehr unter Leute gehen, sagte er. – Ein Wigwam ist nicht der richtige Ort für einen Rebellen. Wir müssen langsam loslegen. Denn das wird mein nächster Film.
    Er ging gebückt unter der Zeltwand durch und war verschwunden. Ich blieb sitzen. Um sicherzugehen, dass ich hier war. Nicht in Dublin, nicht unterwegs mit Victor, nicht mit Victor im Arm, während sein letztes Husten verklang – ich hatte ihn umgebracht.
    Das war sentimentaler Scheiß, ganz klar. War etwas, was ich wegschieben musste.
    Jetzt hieß es wieder arbeiten.
    Ich lief nicht vor den Viehtreibern weg, ich lag nicht auf Piano-Annie ...
    Ich griff nach dem Notizbuch.
    Ich würde Ford von Annie erzählen. Sie würde es in die Story schaffen.
    Das gelbe Mondlicht kroch langsam über die Decke. Ich blätterte in dem Notizbuch zurück. Ihr Name war nicht da. Ich schrieb ihn hin. PIANO-ANNIE.
    Es würde zwei Storys geben. Die von Ford,
The Quiet Man
oder wie auch immer.
Unsere
Story, hatte er gesagt, aber er würde sich die Teile raussuchen, die er haben wollte und brauchte.
    PIANO-ANNIE, ANNIES TOTER MANN. Die Namen würden meine Story sein. Ich wollte Annie nicht auf mir spüren, das hätte ich nicht verkraftet. Ich wollte mich einfach nur an sie erinnern und an ihren toten Mann und daran, wo sie gewohnt hatten und wo ich gewohnt hatte und wie sie mir den Job in den Docks beschafft und wann ich Jack Dalton kennengelernt hatte, damals, als er ein Lied gesungen hatte, das er selbst geschrieben und mit dem er mich wieder zu dem irischen Rebellen gemacht hatte, den Ford jetzt für sich beanspruchte. Ford würde Annie lieben. Piano-Annie rieb ihren Hintern an mir, und ich wurde
The Quiet
Man
.
    – Wir können sie nicht verwenden.
    – Was?
    – Wir können sie nicht verwenden.
    – Annie?
    – Toller Name, sagte Ford. – Schreib ihn ins Buch.
    – Welches Buch?
    – Dein Notizbuch, sagte Ford. – Hey, das ist eine Idee. Meta?
    – Hier.
    – Mary Kates Bruder hat ein Buch. Schwarz. Da kommen die Namen von den Typen rein, mit denen er noch eine Rechnung offen hat.
    – Aber ...
    – Noch besser: Er hat jemanden, der das Buch für ihn führt. Die Namen reinschreibt. Sie durchstreicht. Er blafft den Namen, der andere schreibt ihn auf.
    – Wie ich, sagte Meta.
    – Wie du, sagte Ford.
    Er wandte sich wieder an mich.
    – Annie ist Teil der Geschichte, sagte ich.
    Ich würde für Annie kämpfen (für Victor hatte ich nicht gekämpft). Ich sah Annie in dem Film, auf der Leinwand, wie sie über den Burschen in den ersten Reihen hing, die den Mund nicht wieder zukriegten.
    – Okay, sagte er.
    – Sie ist dabei?
    – Nein, sagte er. –
Zwei
Frauen, das geht nicht.
    – Warum nicht?
    – Wen soll er zuerst kennenlernen? Mary Kate oder die Pianoschlampe?
    Ich sprach den Namen aus.
    – Mary Kate, sagte ich.
    – Die Liebe deines Lebens, hab ich recht?
    Ich zuckte die Schultern.
    – Hab ich recht? fragte er.
    – Ich nickte.
    – Hab ich recht?
    Ich nickte.
    – Und da kommt nun diese Piano-Annie, sagte er, – und Mary Kate wird gestrichen?
    – Nein.
    – Aus heiterem Himmel kommst du uns plötzlich mit Piano-Annie, einer Frau, die du noch nie

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