Die Rueckkehr des Henry Smart

fragte ich
    – Ja, also ... Er trinkt. Heftig. Es ist widerlich. Aber er macht es nur zwischen den Filmen.
    – Mit Ihnen?
    – Nein, sagte sie. – Was erlauben Sie sich?
    Ihr Zorn war jäh und eindrucksvoll, und sie hatte ihn schon wieder unter Kontrolle, ehe er richtig raus war.
    – Er hat seine Kumpane. Die werden Sie noch kennenlernen.
    – Ein paar kenne ich schon.
    – Na also.
    – Ich gehöre nicht dazu.
    – Nein, sagte sie. Nein, er hält Sie raus, aus Respekt. Er möchte nicht, dass Sie da reingezogen werden.
    Sie sah nicht aus wie eine Schauspielerin, die einen Text aufsagt, den man ihr zum Lernen gegeben hat.
    – Ja, wie gesagt, er segelt für ein paar Tage raus, kriegt den Kopf frei von dem ganzen Mist und kann, wenn er zurückkommt, wieder an die Arbeit gehen. Morgen ist er wieder da. Dann geht es los.
Rio Grande
heißt der neue Streifen. Ich spiele mit.
    – Ich weiß.
    – Schön für Sie.
    Sie hing nicht an Fords Angel, das merkte man ihr irgendwie an. Es war nicht ihre Schönheit, allerdings die auch. Was sie so wunderschön und so vertraut machte, waren ihre Unabhängigkeit und die Kraft in ihrem Blick.
    – Jetzt hab ich mich beschwert, dass Mister Ford unhöflich ist, dabei hab ich Ihnen noch nicht mal gesagt, wer ich bin.
    – Ich weiß, wer Sie sind.
    – Wissen Sie nicht. Sie wissen überhaupt nichts über mich. Ich bin Maureen FitzSimons.
    – Von mir aus.
    – Ich bin Maureen FitzSimons aus der Churchtown Road, und Sie sind Henry Smart von überall her.
    – Ganz genau.
    – Aber wir sind beide aus Dublin, und nur das zählt.
    – Jetzt werden Sie sentimental.
    – Und auch davor muss ich Sie warnen, sagte sie. – Ich bin vor dem Krieg weggegangen, vor zwölf Jahren, und bin unheimlich sentimental, was Dublin betrifft. Aber niemand ...
    Sie beugte sich leicht vor.
    – Niemand ist so sentimental wie der Ire, der nie da war.
    – Ford.
    – Mister Ford, sagte sie. – Ja.
    – Soll das eine Warnung sein? fragte ich.
    – Er hat mir gesagt, dass Sie die Geschichte nicht lesen wollen.
    –
The Quiet Man.
    – Ja. Sollten Sie aber.
    – Und warum?
    – Sie sollten wissen, was darin passiert. Ich liebe die Story. Mister Ford liebt die Story. Duke liebt sie.
    Kein Wort über Henry Fonda. Ich sagte nichts.
    – Wir lieben sie alle, sagte sie. – Es ist eine Liebesgeschichte.
    Ich nickte.
    – Und er will sie zu Ihrer Geschichte machen. Das ist in Ordnung so. Und ganz einfach. Er hat mir erzählt, dass es eine Frau in Ihrem Leben gab.
    Ich nickte.
    – Mary Kate, sagte sie.
    Und ich nickte.
    – War sie schön?
    – Ja.
    – Und Sie wissen, dass ich sie spielen werde?
    – So hat er es gesagt.
    – Und wie ist das?
    – Bestens.
    – Ich bin eine toughe Irin.
    – Sie reden schon wie er, sagte ich.
    Sie lachte. – Aber ... sagte sie, und das Lächeln verschwand. – Aber er wird weich werden.
    – Was?
    – Er wird vor der Sentimentalität einknicken.
    – Wie meinen Sie das?
    – Er will die beiden Storys verquicken,
The Quiet Man
und Ihre. Aber
The Quiet Man
wird gewinnen.
    – Woher wollen Sie das wissen?
    – Weil ich es weiß, sagte sie. – Ich bin schon lange genug in dieser Stadt und kenne mich aus. Er will den Film unbedingt machen. Seit einer halben Ewigkeit. Er hat mich schon vor Jahren gebeten mitzuspielen. Lange, ehe Sie ihm unter die Augen gekommen sind.
    Es gab mir einen Stich. Ich wartete eine Sekunde, dann fragte ich: – Was ist hier eigentlich los?
    – Nichts. Nichts Zwielichtiges. Es ist nur ...
    Zum ersten Mal sah sie weg.
    – Ich wollte Sie warnen.
    Sie sah mich wieder an.
    – Ich habe ein paar dieser
quiet men,
der stillen Männer kennengelernt, sagte sie. – In der Heimat. Freunde von Daddy. Die nie ein Wort über das verloren, was sie gemacht oder gesehen haben.
    Ich sagte nichts.
    – Ich bin schon lange weg, sagte sie. – Aber gerade deshalb liebe ich Irland so sehr. Ich bewundere die Männer, die getan haben, was sie tun mussten. Und Sie haben dazugehört. Sie und Mary Kate.
    Ihr Gesicht war so offen in diesem Augenblick, so strahlend hell, dass ich dachte, sie würde sich gleich rücklings aufs Bett fallen lassen.
    – Ich möchte diese Frau spielen. Möchte sie sein. Ich möchte für Irland kämpfen.
    Sie blieb stehen und sah tief in mich hinein.
    – Deshalb bin ich hier, sagte sie. – Sie müssen für Mary Kate kämpfen.
    – Warum?
    –
Ihre
Mary Kate kommt im
Quiet Man
nicht vor, sagte sie. – Es kommt eine tolle Frau drin vor, aber sie ist nicht Mary