Die Rueckkehr des Henry Smart
ihn damit fertigmachen sollte. Um an die Riemen zu kommen, würde ich mich aufs Bett setzen müssen – und davon würde Ford aufwachen – oder auf den Fußboden, und es war nicht sicher, dass ich von da wieder hochkam. Der Aufwand war zu groß – wär schade um meine Alligatorstiefel.
Und dann weckte ich ihn doch.
Ich hob den rechten Arm und hieb mit der Faust auf seine Brust. Er wachte auf und hatte meine harte Hand im Gesicht. Ich hielt ihm den Mund zu und drückte ihn zurück aufs Bett. Ich spürte, wie sein Schreck und Schmerz unter meiner Handfläche langsam abebbten.
Er wusste, dass ich es war. Er lag still.
Ich schlug noch einmal zu. Fühlte sein Herz in meiner flachen Hand.
Er wusste: Ich wollte ihn umbringen.
Auf dem Regal hinter seinem Kopf sah ich einen Rosenkranz aus schwarzen Perlen.
Er wehrte sich nicht. Ich spürte, wie er seinen Körper zur Ruhe zwang; sein Herz schlug langsamer und half ihm dabei. Ich spürte seinen Atem auf meiner Handfläche. Ich nahm die Hand von seinem Mund. Ich sah immer noch auf die Perlen.
– Sie gehörten meiner Mutter, sagte er. – Du willst mich umbringen, nicht?
– Yeah.
Kein Seufzer. Keine Bewegung.
– Gut, sagte er. – In Ordnung. Was dagegen, wenn ich mich aufsetze?
– Rühr dich nicht!
– Ich setze mich jetzt auf.
Ich packte ein Büschel von seinem Haar und zog ihn vom Kissen hoch. Mit der anderen Hand griff ich mir den Rosenkranz, er hatte lose auf dem Regalbrett gelegen. Ich ließ seine Haare los, legte ihm den Rosenkranz um den Hals und merkte, wie seine trockene Haut unter meinen Knöcheln feucht wurde. Und dann zog ich die Schlinge zu. Das Kruzifix hatte ich in der rechten Hand, die Perlen zwischen meinen Fingern, unter denen ich jetzt Knochen spürte. Er wehrte sich nicht. Noch während ich versuchte, ihn umzubringen, hatte er die Regie übernommen, und ich tanzte nach seiner Pfeife. Selbst wenn ich jetzt aufhörte, würde ich das tun, weil er es so wollte.
Ich lockerte den Griff an einem Ende der Perlenkette. Er sank nicht in die Kissen zurück, sondern blieb kurze Zeit, eine Sekunde, in der Luft, dann fiel er vornüber. Dreimal holte er röchelnd Luft, dann atmete er wieder normal. Er stemmte sich hoch. Der Rosenkranz zeichnete sich als rosa Fluss mit kleinen Seen dazwischen an seinem Hals ab. Aber er langte nicht hin. Er setzte sich auf. Nicht zu fassen – ich hatte ihn noch nie aufrechter erlebt.
– Warum hast du es dir anders überlegt? fragte er.
Die letzten Minuten klangen in seiner Stimme nach.
Ich antwortete nicht. Ich hatte keine Antwort. Ich hatte ihn nicht getötet, weil er gewollt hätte, dass ich ihn umbrachte. Aber ich wollte ihn immer noch umbringen, es zuckte mir in den Armen. Ich wünschte ihm den Tod, aber er hatte sich aufgesetzt und sah mich an.
Ich versuchte ihn zu hassen, die Wut wieder anzufachen. Ich wollte die Sache zu Ende bringen und zu Fuß nach Dublin gehen. Wieder ich selbst sein.
Er sah mich an.
Wie bei einer Drehbuchbesprechung.
– Hast du deine Zunge verschluckt?
Ich schlug zu. Holte aus und schlug ihm ins Gesicht. Sein Kopf flog zur Seite. Er fiel in eins der Kissen, und da blieb er liegen – ich sah in ein angstvolles Auge. Jetzt war ich wieder am Zug. Der Schlag hatte mir gutgetan, er hallte immer noch von den Wänden wider.
– Warum? fragte ich.
Jetzt sagte er nichts.
– Warum, fragte ich noch mal.
Ich sah, wie sein blindes Auge sich bewegte. Er versuchte, mich anzusehen, ohne den Kopf vom Kissen zu heben. Er schaffte es nicht.
– Das ist eine verdammt heikle Frage, Henry.
Da hatte er recht.
– Ich setz mich wieder auf. Wirst du zuschlagen?
– Nein.
– Okay.
Er ächzte und stöhnte jetzt, saß wieder auf seinem Regiestuhl, spielte eine Rolle.
Diesmal nahm ich die Faust, legte fünfzig Jahre in den Hieb. Dabei gingen zwei von meinen Fingern zu Bruch, ich hörte sie knacken. Er fiel nicht um, und auch sein Kopf blieb da, wo er war.
Es zerriss mir fast den Arm. Ich setzte mich auf die Bettkante und drängte den Schmerz zurück zu meinen gebrochenen Fingern. Ich ließ Luft raus und atmete vorsichtig wieder ein.
Ich machte die Augen auf.
Der Scheißkerl war aus Granit.
– Also, sagte er.
Dann gab er Geräusche von sich, als ob er die Worte einsammelte und in die richtige Reihenfolge brachte.
Er weinte.
Ich hielt mir die Hand vor die Augen. Die Finger sahen nicht allzu schlimm aus. Ich hatte schon Schlimmeres überstanden, ohne einen Laut von mir zu geben.
Er hatte
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