Die Rueckkehr des Henry Smart

Dublin? Gibt es in dieser Stadt einen einzigen beschissenen Backstein, für den es sich zu kämpfen lohnt? Na?
    Es war nie um Backsteine gegangen. Ich hatte die Stadt in Schutt und Asche legen wollen.
    – Nein.
    – Also holen wir dich raus aus Dublin. Er nickte zum Fenster hin.
    – Und hier lohnt es sich. Gottes eigenes Land, das man dir weggenommen hat. Der See da draußen und all das Technicolor-Grün. Das Schloss mit den falschen Leuten drin. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Wir sind alle auf deiner Seite.
    Er nahm sein Tablett, beugte sich vor und stellte es auf den Fußboden, richtete sich wieder auf und lehnte sich zurück.
    – Du hast es zugelassen, Henry.
    – Ich überlege, ob ich noch eine Runde schlafen soll.
    – Gute Idee, sagte er. – Kleines Nickerchen. Wir haben eine anstrengende Woche vor uns.
    Ich schob mein Tablett ans Fußende des langen Bettes, so dass ich mich ausstrecken konnte.
    – Verstehst du das?
    – Was?
    Ich überlegte, ob ich das Bein abnehmen sollte.
    – Die Sache mit dem Krieg.
    Es war nicht das, was ich erwartet hatte.
    – Mit welchem Krieg?
    – Mit beiden Kriegen, sagte er. – Erst dem Unabhängigkeitskrieg, dann dem Bürgerkrieg.
    – Die wollten Sie doch in dem Film nicht drin haben.
    Ich war am Einschlafen.
    – Aber genau darum geht es doch bei dem
Quiet Man
, sagte er. – Um das, was passiert ist, nachdem wir den Krieg gewonnen hatten. Um das Paradies.
    – Machen Sie Witze? fragte ich. – Ich bin erst ein paar Tage wieder da, aber ich seh kein Scheißparadies.
    Ich redete nur so vor mich hin, es war wie Schäfchenzählen.
    – Könnte aber eins sein, sagte er. Echt. Traum aller Auswanderer.
    – Ländlich, gälisch, das einfache Leben.
    – Genau.
    – Erinnern Sie sich noch an den Zettel? fragte ich.
    – Mit deinem Namen drauf.
Smart, Henry
. Der über die polierte Schreibtischplatte geschoben wurde.
    – Ja, sagte ich. – Mein Hinrichtungsbefehl.
    – Wär eine tolle Szene gewesen.
    – Das ist der Scheiß, den die angeblich haben wollten, Jack Dalton und seine Jungs, sagte ich. Ein ländliches Irland, das einfache Leben, irisches Gesabbel. Dahinter haben sie sich versteckt. Ich sag Ihnen jetzt mal, was Sie sich da ausgedacht haben, und dann leg ich mich schlafen.
    – Schieß los.
    – Sie bringen den Krieg nach Irland, sagte ich. – Ihren beschissenen Kalten Krieg. Sie haben Irland zu einem Teil von Amerika gemacht und John Wayne in Marsch gesetzt. Irland wird das Land sein, für das zu sterben sich lohnt.
    Es war Geschwafel, aber ich glaubte jedes Wort, fühlte mich zurückversetzt in meine beste Zeit, als ich Freiheit und Schwarzgebrannten in braunen Papiertüten verkauft hatte.
    – Und deshalb können Sie und das Irland in Ihrem Kopf mir gestohlen bleiben, sagte ich.
    – Mag sein, dass du recht hast. Ist aber zumindest gut für den Fremdenverkehr.
    – Na, da bin ich gespannt.
    – Der Rebell.
    – Ich schlaf jetzt ’ne Runde.
    – Ich auch.
    Ich döste eine Weile, schlief aber nicht ein. Ich wollte weiterreden und mich selbst überzeugen. Vor mir lag eine Zukunft. Lagen Jahre, das Leben, Menschen, denen ich begegnen würde. Ich brauchte nicht mehr zu kämpfen, niemanden mehr umzubringen. Ich war ein glücklicher Mann, befreit durch den verschrobenen giftigen alten Kerl neben mir.
    – Schläfst du? fragte er.
    Ich antwortete nicht.
    – Henry? Du bist wach. Das ist noch nicht alles.
    Ich wachte auf.
    Er schlief und machte ziemlichen Lärm dabei. Sein Hals war abgeknickt, ich sah die Würgespuren. Als ich aufstand, kippte das Tablett über den Bettrand. Der Radau war ohrenbetäubend. Aber er schlief weiter. Ich zog die Stiefel an, schnürte sie zu und staubte sie mit einem Lakenzipfel ab. Es war früher Abend, bald würden die Darsteller und die Crew zurückkommen. Wingate Smith würde über den Gang stiefeln, hinter ihm die ganze Clique.
    Als ich das Schloss verließ, kam ich an den beiden Jungs vorbei, die Ford die Tabletts gebracht hatten. Sie musterten mich von oben bis unten und behielten die Zigaretten im Mund. Aber sie gaben den Weg frei.
    – Bisschen Luft schnappen, Sir?
    – So was Ähnliches, sagte ich.
    Auf der obersten Stufe blieb ich stehen und sah der Wagenkolonne entgegen, den schwarzen Limousinen, den Lieferwagen, den Trucks, immer mehr zwängten sich langsam durch die Einfahrt und verstopften den schmalen Zugang. Ich wollte mich nicht mit den schwarzen Autos und den Leuten darin anlegen, wollte nicht wissen, ob sie mich erkannt