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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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auf den Rücken zu drehen, um nicht in ihrem Blumenbeet zu ertrinken. Beide Knie waren abgeknickt, die Füße ragten in die Luft – ein altes Baby, das versucht, in seinem Bettchen aufzustehen.
Und was ist mit mir?
Sie kam sofort heraus, ich hörte ihre Sohlen über den Rasen schmatzen. Sie war zehn Jahre älter als ich, aber sie schaffte es, mich aus dem Dreck zu ziehen und in ihre Küche zu tragen – ums Haus herum über den Hintereingang. Das bisschen Regen störte sie nicht, Schmutz in ihrer Diele aber schon. Ich hatte meine Arme um ihren Hals gelegt, einer ihrer Arme lag unter meinen Knien, und so schleppte sie mich über die Schwelle. Ich wusste gleich, dass ich nicht der erste Tote war, den sie trug.
    In der Küche setzte sie mich auf einen weiß lackierten Stuhl, legte mir altes Zeitungspapier unter, hob meine Füße nacheinander an und zuckte nicht, als sie ein hartes Bein in der Hand hielt und begriff, was es war. Sie stellte es auf dem Zeitungspapier ab und stand klaglos auf. Ich schaute mich um, während sie ein Handtuch holen ging – natürlich ein altes – und sah vorbei an der offenen Küchentür das Foto in der Diele hängen. Eine junge Frau in der Uniform der Cumann na mBan.
    Sie kam mit einem dünnen grauen Handtuch zurück. Ich trocknete mir den Kopf, und der Lappen zerfiel mir fast unter den Fingern.
    – Was haben Sie denn angestellt?
    Sie war nicht aus Roscommon oder war jedenfalls lange nicht mehr dort gewesen.
    – Mein Knie.
    Ich sah auf das Wasser, das immer noch an mir runter auf die
Irish Press
floss. Von der Druckerschwärze würde es Flecken auf dem Linoleum geben.
    Sie hieß O’Kelly und war mit dem Mann verheiratet gewesen, mit dem ich sie jeden Sonntagnachmittag an meiner Tür hatte vorbeigehen sehen, bis zum letzten Jahr kurz vor Weihnachten. Die Witwe O’Kelly, die, wie ich jetzt feststellte, immer noch Schwarz trug.
    Ich sah sie an.
    Sie war nie eine Miss O’Shea gewesen.
    – Ist es blockiert? fragte sie.
    –
Ganz genau.
    Ganz genau
, hatte ich gesagt und nicht nur
Yeah.
Ich war wieder im
Quiet Man
(in meiner Nähe gab es jede Menge Kinos, in Sutton und Killester, aber ich hatte mir den Film nie angesehen).
    – Passiert jedem mal, sagte sie. – Da hilft nur Warten. Ich mach Ihnen einen Tee.
    Dass ich keinen Tee trank, sagte ich ihr nicht. Die Kälte steckte in mir, ich spürte noch die Erde auf den Lippen.
    Sie kam mit Sachen von ihrem Mann zurück. Kordhose, Pullover, Flanellhemd.
    – Was meinen Sie?
    – Danke, Missis.
    – Er hätte sie Ihnen gern gegeben, er hielt sehr viel von Ihnen.
    – Er war ein feiner Kerl.
    – Das war er wirklich.
    Sie ging raus und machte die Küchentür hinter sich zu.
    – Bis Sie sich umgezogen haben, ist das Wasser am Kochen.
    Das Bücken war mörderisch. Die Schnürsenkel sträubten sich, sie hatten sich vollgesogen und machten nicht, was sie sollten. Aber ich schaffte es, die Stiefel so auszuziehen, dass sie auf dem Papier blieben. Die Hose anzuziehen war heikel – das Wasser kochte, der Kessel fing an zu scheppern, sie wartete schon an der Tür. Der Wasserdampf setzte sich in den Kord. Die verdammte Hose war nass, noch ehe ich sie anhatte.
    – Kommen Sie zurecht da drin?
    – Bestens.
    Ich knöpfte das Hemd zu.
    – Kann ich reinkommen?
    – Ja, alles klar.
    Als sie aus dem Dampf auftauchte, war ich sicher, dass es meine Frau war. Bestimmt. Das dünne Haar in einem Knoten. In diesem Moment war ich nicht mehr der alte Henry und fragte.
    – Waren Sie mal eine Miss O’Shea?
    – Nein.
    Ohne zu zögern, ohne eine nasse graue Augenbraue hochzuziehen, ging sie auf den Kessel zu.
    – Was macht das Knie?
    Ich befahl meinem Bein, sich gerade zu richten, und es gehorchte. Ein kurzer Klick, und ich war wieder einsatzbereit. Sie machte sich an der Teekanne zu schaffen. Ich hätte schummeln, hätte noch bleiben können. Aber ...
    – Alles okay, sagte ich.
    Ich wollte nicht den Hilflosen spielen.
    – Aber Ihren Tee trinken Sie noch, ehe Sie gehen, sagte sie.
    – Mach ich.
    Würde sie jetzt aufsehen? Zugeben, dass sie Miss O’Shea war? Weder noch.
    Sie gab mir zwei Feigenrollen und sah zu, wie ich sie aß. Sie waren altbacken, aber ich sagte nichts.
    – Redmond, sagte sie.
    – Das war Ihr Mädchenname?
    – Ja, sagte sie. – Ich war zwanzig.
    – Ganz schön jung.
    – Stimmt. Ganz schön jung.
    Ich stand auf.
    – Vielen Dank. Ich bring dann die Sachen zurück.
    – Sie gehören Ihnen.
    Wieder trug ich die Kleider eines Toten.
    –

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