Die Rueckkehr des Henry Smart
Ich kaufte mir ein altes Fahrrad und ging von Tür zu Tür. Radfahren war nicht drin, wenn es nicht gerade steil bergab ging und ich das Rad rollen lassen konnte, aber ich band einen geklauten Rechen an die Querstange und einen Spaten, der an einem Gartentor gelehnt hatte. Ich legte einen alten Sack über den Lenker und schob mein neues Büro über die Main Road bis zur Küste. Ich mähte Rasen und kam zurück und mähte wieder und wartete auf neue Aufträge. Zwei Monate, nachdem ich das erste Mal gemäht hatte, nahm ich den Spaten von der Querstange und fing an zu graben. Ich wurde Henry und Old Henry und
Wie geht’s Henry
und an den Hintertüren der protestantischen Häuser
Lieber Henry
.
Und das war’s dann – jahrelang. Ein Auskommen. Leben mit der Natur. Ich kniete auf dem Sack und zupfte an dem Grünzeug herum, das wie Unkraut aussah, und irrte mich nie.
– Sie sind ein Schatz, Henry.
– Danke, Missis.
Sah ich in den Jahren, in denen ich die großen Gärten von Northside pflegte, die Schönheit, die andere sahen? Ja, von wegen!
– Was würde ich ohne Sie machen, Henry?
Selber gärtnern, alte Eule.
Beim Jäten entkam mir kein Unkraut, aber eigentlich sehen – spüren – konnte ich den Unterschied zwischen Unkraut und Blumen nie.
Doch es war ein gutes Leben. Es gab genug zu tun, im Sommer und Herbst mehr als genug. Im Winter ließ ich es ruhiger angehen. Ich lebte unter meinem richtigen Namen, und niemand guckte mich schief an, wenn ich ihn nannte. Ich war Henry Smart, der liebe Henry, der Gärtner. Und dann war ich Henry Smart, der Hausmeister. Ich war Henry Smart und fertig.
In Ratheen gab es Schuhe und keine klaffenden georgianischen Türen. Gut genährte Mütter schoben die schwarzen Kinderwagen, und sie hatten kleine Kinder drin und keine Kohlen. Niemand bettelte, niemand schlich an Hauswänden lang. Die hohen grünen Bäume schwankten, hielten aber stand, als die Felder hinter der Main Road nach und nach zugebaut wurden und ich dadurch noch mehr Gras zum Mähen und Unkraut zum Ausrotten kriegte. Ich hatte jetzt zwei Anzüge, und ich hatte Stiefel nur für die Arbeit, die mich am Ende des Tages schier umbrachten, weil so viel Erde an ihnen klebte, dass sie doppelt so schwer waren wie das Holzbein, das ich mit mir rumschleppte. Sechs oder sieben Paar habe ich in den zwanzig Jahren aufgearbeitet, aber die Krokostiefel sahen immer noch aus wie neu. Sechs Tage in der Woche standen sie unter dem Bett, weil ich sie nur sonntags trug, zur Messe.
Ich ging zur Messe.
Die Stadt folgte mir nach Ratheen. Die City Corporation übernahm ein schönes großes Gebiet nah am Meer und baute Häuser fürs Volk. Die Söhne und Töchter der Straßenjungen, mit denen ich mich hatte prügeln müssen, rückten mit ihren Matratzen und Kinderwagen an. Ein anständiges Haus für jede Familie, ein Haus voller Kinder und um die Ecke eine nagelneue Schule.
Manchmal fragte ich mich jetzt, ob mein Kampf wirklich so ganz vergeblich gewesen war. Die Stadtmitte war immer noch das Drecksloch, dem ich entkommen war. Aber hier, nur zwanzig Minuten entfernt, hatten die Kinder Eltern und Mäntel. Es gab Schlafzimmer und Strom und jeden Tag Abendessen. Die Frauen blieben stehen und schwatzten miteinander, keine stand im Regen an einer Straßenecke und wartete verzweifelt auf Kundschaft. Die Männer kamen täglich zur gleichen Zeit von der Arbeit. Ein langweiliges Leben, aber vielleicht musste Freiheit langweilig sein. Ich selbst war abends pünktlich um sechs zu Hause.
Ein Tag, zu zeitig fürs Frühjahr, zu feucht, zu kalt. Mit dem Knie, an dem das Holzbein war, kam ich hoch, aber mit dem anderen schaffte ich es nicht. Es war blockiert, ich steckte fest. Ich sah, wie es immer tiefer in den Schlamm sank, und jetzt kam natürlich auch noch der Regen. Es war der 21. März 1963. Ich war erst einundsechzig, aber das Gärtnern konnte ich jetzt ein für alle Mal vergessen. Ich kniete im Vorgarten eines dieser Flachdachhäuser, die bei den Einheimischen deutsche Häuser hießen, weil sie nicht irisch waren. Der Regen weichte die Erde noch mehr auf, ich merkte, wie das Wasser zwischen Holz und Fleisch sickerte, sehr bald würde es höllisch weh tun, aber ich kam nicht hoch. Es regnete stärker, das Loch wurde schnell tiefer und drohte mich zu verschlucken. Ich kippte vornüber.
Und so entdeckte mich die Alte. Als sie aus dem Fenster guckte, weil sie sehen wollte, ob sie für ihr Geld auch etwas kriegte, versuchte ihr Gärtner sich gerade
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