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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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hatten. Wollte Maureen FitzSimons nicht ansehen. Ich hatte sie enttäuscht; sie würde nicht für Irland kämpfen.
    Ich lief los in Richtung See. Lough Corrib. Fünfzig Jahre später sollte er Galway vergiften. Aber als ich an jenem Tag hineinwatete und untertauchte, nahm er mich bereitwillig auf. Zwanzig Jahre später stieg ich wieder raus.
    Aber jene Tage waren vorbei. Es gab keinen Zauber mehr. Ich schwamm – das war Zauber genug für einen Einbeinigen mit gebrochener Hand –, bis das Schloss mich nicht mehr im Blick hatte. Am anderen Ufer ging ich an Land und freute mich an dem letzten Rest Sonne. Hinter den Bäumen war die Schlossmauer, die ich spielend schaffte. Beim Laufen trocknete ich schnell. Ich hörte das Bein knarren und schrumpfen.
    Ich ging weiter.

| Zweiter Teil

7 | Ich spürte die Bombe, ehe ich sie hörte, und konnte sie mir nicht erklären. Ich flog durch die Luft und knallte an die Wand, als das Geräusch erschallte. Das war neu. Den Staub, die Schreie, die Metallsplitter – das kannte ich schon. Aber was hier abging, war größer, umfassender, das war eine Bombe, der die Anzahl der Opfer egal war. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich lag auf der Straße, aber die Straße war nicht mehr da. In der Luft nur Dreck und Schreie. Ich wusste, wer ich war: Henry Smart. Ich wusste, wo ich war: auf der Talbot Street. Da, wo die Talbot Street gewesen war.
    Ich lag da und wartete.
    Ich hatte Geldscheine in der Tasche, die rasch trockneten, während Ashford Castle hinter mir zurückblieb. Nach Dublin musste ich quer durchs Land, aber nicht zu Fuß. Jetzt gab es grüne Busse. Und Bahnen. Ich brauchte mich nicht zu verstecken.
    In Kingsbridge stieg ich aus dem Zug und ging los. Ich horchte auf Stimmen, hielt Ausschau nach Gesichtern, aber das legte sich – schließlich war das alles über dreißig Jahre her. Ich lief weiter, bis ich mich wieder auskannte. Manche Straßen hatten neue Namen – Pearse Street, Cathal Brugha Street – nach Männern, die ich gekannt und über die ich die Nase gerümpft hatte. Andere Straßen waren abgerissen, nicht nur die Straße selbst, sondern die Nebenstraßen, der ganze Bezirk war weg, stattdessen war da etwas, was ich nie gekannt hatte. Und das war okay. Es war ja keine Rückkehr, sondern eine Ankunft. Dem Alten weinte ich keine Träne nach.
    Die Slums waren noch da – abgebrochene Zähne in einem fauligen Mund, nur noch schlimmer, weil ich weg gewesen war und anderes gesehen hatte. Ich ging an Vortreppen vorbei, auf denen Abend für Abend meine Mutter gesessen hatte. Ich ging an klaffenden Türen vorbei, hinter denen mich Geborgenheit und Frauen erwartet hatten. Das Haus von Piano-Annie hatte kein Dach mehr, Haustür und Fenster waren zugemauert. Ich ging an Männern und Frauen vorbei, die ich vielleicht früher mal gekannt hatte, aber ich sah die bröckelnden Gesichter nicht genau an.
Gracie, Lil, Alexander
. Ich sah nicht so genau hin.
    Ich stand am Zaun und sah auf das Gebäude, dem ich meine zwei Tage Schulbildung verdankte. Das war vier Tage, nachdem ich wieder zurück war. Ich sah verbissen dreinschauende junge Lehrerinnen, aber keine alten. Ich blieb eine Stunde, dann gab ich es auf.
Zwei und zwei?
Sie war tot.
    Ich stand in der Gardiner Street und sah durch das gähnende Loch einer Tür – die Glasscheibe vom Oberlicht fehlte – auf die abblätternde Wand und den schwarzen Kinderwagen davor und die breiten Treppenstufen, die ins Dunkel führten. Lärm, Gelächter, Geschrei, letzte Huster hingen wie damals in der Luft und erneuerten sich ständig. Im zweiten Stock starb ein Mann an der Schwindsucht. Im Hinterhof weinte ein junges Mädchen. Eine Kinderbande kam die Treppe heruntergepoltert und wuselte um mich herum. Manche Kids trugen Leinenschuhe – Laufschuhe –, aber andere gar nichts. Nackte Füße klatschten aufs Pflaster. Das war 1951.
    Mein Entschluss stand fest: Ich würde die alten Orte meiden, würde aufhören, die Wut anzuheizen.
    Ich ging die Marlborough Street herunter – manche Straßen hatten ihre Namen behalten – und sah auf der Abbey Street eine Reihe grüner Doppeldeckerbusse stehen. Ich stieg ein, fuhr zwanzig Minuten nach Norden und stieg in einem Dorf aus, das Ratheen hieß. Ich kannte es nicht, ich hatte dort niemanden umgelegt. Ich würde bleiben.
    Ich fand Beschäftigung, die mit der Zeit zu geregelter Arbeit wurde, und ein Cottage, das nun mein Zuhause war. Ich mähte den Rasen in den Villen rechts und links der langen Main Street.

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