Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
Vom Netzwerk:
gewesen. Sie ertappte mich dabei, wie ich es anstarrte, als sie die Treppe runterkam, sagte aber nichts. Ich ging zurück in die Küche und trocknete das Geschirr ab, das sie schon abgewaschen hatte. Sie machte das Licht aus, drehte sich auf ihre Seite und legte einen Arm auf meine Brust. Wir schliefen.
    Nach ein paar Monaten stellte ich eine Frage.
    – Hast du Kinder?
    – Ja, sagte sie. – Eins. Ein Mädchen. Und du?
    – Auch ein Mädchen. Und einen Jungen.
    Wir lagen im Bett, im Dunkeln. Mehr sagten wir nicht.
    Mister Strickland kam aus seinem Büro, als ich gerade vorbeihinkte. Er hielt mich am Arm fest.
    – Hören Sie sich das mal an, sagte er.
    Ich wusste, was er meinte, aber ich tat so, als ob ich auf eine nähere Erklärung wartete.
    – Was denn? fragte ich.
    – Was hören Sie?
    – Nichts.
    – Genau, sagte er.
    Er hielt noch immer meinen Arm fest, ich hatte nicht versucht, mich loszumachen.
    – Ich habe seit Monaten den Riemen nicht mehr gehört, sagte er.
    – Ist doch gut, oder?
    – Aber ja, sagte er. – Ich hasse die Dinger.
    Er hatte einen Riemen in der Jackentasche, der zog ihm die rechte Seite runter wie ein Revolver. Und einmal hatte er mich in die Stadt geschickt, ich sollte einen ganzen Karton kaufen, in einer Nebenstraße der Marlborough Street, in einem Laden, in dem es Priesterkleidung und Lederriemen gab. Ich war mit dem Bus zurückgefahren, den Karton auf dem Schoß.
    – Nicht dass Sie mich missverstehen, sagte er. – Ich habe Gebrauch von ihm gemacht und werde es bestimmt wieder tun. Wenn im September die neuen Lehrer kommen, händige ich jedem einen aus. Aber ich sage ihnen immer, dass sie ihn aufs Pult legen sollen. Sichtbar, verstehen Sie?
    Ich nickte.
    – Als Warnung für die Jungs, sagte er. – Und benutzen sollten sie ihn nur, wenn es absolut nötig ist. Und da liegt das Problem, Henry. Wann ist es absolut nötig?
    Ich antwortete nicht.
    – Sie verstehen mich schon, sagte er. – Früher habe ich manchmal überlegt, ob ich mich vielleicht nicht deutlich genug ausgedrückt habe. Denn es wurde verdammt viel geschlagen. Nachmittags hörte man das Klatschen bis zum Ende des Ganges. Wie Beifall.
    Er ließ meinen Arm los.
    – Ich habe mit ihnen gesprochen, sagte er.
    Er war groß. Ich machte mich auch groß. Zwei große Männer sahen über den leeren Gang. Weiter unten musste eine Glühbirne ausgewechselt werden.
    – Ich habe mit ihnen gesprochen, wiederholte er. – Es sind nette Jungs, ich mag sie alle. Und erstklassige Lehrkräfte. In meinem Kollegium ist kein einziger Blindgänger. Sie waren voll mit allem einverstanden, was ich gesagt habe.
    Er lächelte.
    – Und es hat geklappt. Vorübergehend. Ich hab schon Schlimmeres erlebt. Und Sie auch.
    Ich sagte nichts.
    – Aber dann ging es wieder los. Meist nachmittags. In der letzten Stunde vor dem Läuten. Der eine fing an, und dann machten sie alle mit.
    Er hielt inne und sah mich an.
    – Und eines Tages hörte es ganz auf.
    – Ist doch bestens, sagte ich.
    – Aber warum?
    Ich sah über den Gang und hoffte so halb und halb, ein Lehrer würde einem der Kids eine schallern und mich retten.
    – Weil es ungewöhnlich ist, sagte er. – Das Schuljahr ist fast zu Ende. Um diese Zeit wird es immer hektisch.
    Auf dem Gang herrschte Grabesstille.
    – Die Schüler von Tom McCauley begreifen gar nicht, wie wichtig der Abschluss für sie ist, dass ihre ganze Zukunft davon abhängt. Das muss in sie hineingeprügelt werden. In der Regel.
    Er fasste wieder nach meinem Arm, ganz sanft.
    – Was geht hier vor, Henry? fragte er. – Haben Sie eine Erklärung?
    – Nein.
    – Keine?
    Sie haben gesagt, dass einer der Lehrer angefangen hat und die anderen mitgemacht haben. Beim Riemenschwingen.
    – Ja.
    – Vielleicht war das auch diesmal so – nur umgekehrt.
    – Einer hat aufgehört, den Riemen zu benutzen.
    – Und die anderen haben es ihm nachgemacht.
    Er ließ meinen Arm los.
    – Aber warum?
    – Keine Ahnung.
    – Sie haben Augen und Ohren, Henry.
    – Sie aber auch, Mr. Strickland.
    – Ja, sagte er. – Das stimmt.
    – Deine Tochter, sagte ich.
    Wir waren beim Abendessen. Eintopf, aber mit so gutem Fleisch, wie ich noch keinen gegessen hatte.
    Sie sah mich groß an.
    – Ja? fragte sie.
    – Ist sie hier? In Dublin?
    – Nein.
    – Ach so ...
    Auch die Kartoffeln waren große Klasse. Ich konnte die Peinlichkeit vergessen, die ich gerade mit in die Küche gebracht hatte.
    – Ich weiß nicht, wo sie ist, sagte sie.
    – Ach

Weitere Kostenlose Bücher