Die Rueckkehr des Henry Smart
so.
– Und was ist mit deiner Tochter?
– Amerika.
– Und dein Sohn?
– Ebenso.
– Das ist weit weg.
– Stimmt.
Ich aß. Wir aßen.
– Schmeckt toll, sagte ich.
– Danke.
– Einfach großartig, sagte ich.
Ich guckte sie an und wartete.
– Hast du schon mal Plinsen gegessen?
– Nein.
– Noch nie?
– Nein, sagte sie. – Da, wo ich herkomme, aß man die nicht.
– Ja so ...
– Über Plinsen sind wir weg, hieß es immer.
– Verstehe.
– Warum fragst du?
– Nur so.
– Ich könnte mich ja mal nach einem Rezept umsehen.
– Wie du willst.
Wir aßen.
Der Priester schwitzte. Es war wieder ein heißer Tag.
– Father, sagte ich.
– Henry.
Ich wusste nicht, was er wollte. Er war mein Arbeitgeber, aber den Lohn kriegte ich am Freitagabend von der Haushälterin.
– Bin zufällig vorbeigekommen, sagte er.
– Bestens.
– Wie geht’s?
– Gut.
Er versuchte an mir vorbei in das Dunkel zu sehen. Mein Haus war wie eine Höhle, gebaut, als die Menschen kleiner und die Bauherren noch geiziger waren als heute. Jedes Cottage hatte ein Fenster vorn und ein viel kleineres nach hinten raus. Unten waren drei kleine Zimmer. Das Klo war draußen, die Pumpe stand auf der Straße, direkt hinter dem Pfarrer.
Aber mir gefiel’s. Das Wort
Zuhause
bedeutete mir mittlerweile etwas.
– Ich höre da große Dinge, sagte er. – Gestern habe ich mit Mister Strickland gesprochen.
– Freut mich, dass er zufrieden ist, sagte ich.
– Ja, das ist er. Mehr als zufrieden.
Er klatschte in die Hände.
– Und das macht auch mich zufrieden.
Jemand hatte mich beobachtet, wie ich mit dem Fahrrad auf dem Rücken bei Missis O’Kelly rausgeschlichen war, jemand hatte es ihm gepetzt, jemand, der schlaflos in die Dunkelheit starrte oder in die Morgendämmerung, am letzten Samstag war es, als ich gegangen war, schon ziemlich hell gewesen. Das wollte der Pfarrer mir verklickern. Es war eine Drohung.
– Möchten Sie eine Tasse Tee, Father?
Ich trat nicht beiseite. Er sollte wissen, dass sich da drin niemand versteckte.
– Nein, nein.
Ich hatte keinen Tee, mit dem Zeug konnte man mich jagen.
– Bin nur zufällig vorbeigekommen, sagte er.
– Fein.
– Und Sie sind auch zufrieden?
– Ja.
– Mit dem Job, sagte er.
– Genau.
– Weil es Leute gibt, sagte er, – die das mit Zufriedenheit hören werden. Ja, dann mit Gott.
Was mochten das für Leute sein? Als ich sah, wie er weiterging, immer den Hügel hoch, da war auch ich ganz zufrieden. Ich war mir nicht mehr sicher, ob es eine Drohung gewesen war. Aber das, was er eben gesagt hatte, klang noch viel bedrohlicher.
Er sah nicht zurück. Er wurde langsamer, weil er mit der Steigung kämpfte, aber er lief weiter, warf einen Blick in die offene Tür der Polizeiwache (während der Kämpfe war es eine RIC-Kaserne gewesen, aber eine, die ich nie abgefackelt hatte) und ging dann vorbei am Friseur in Richtung Main Road.
Ich erzählte ihr nichts. Es war riskanter geworden, aber da war das Bad, da waren das Essen und der Atem neben mir im Bett – auf all das mochte ich nicht verzichten. Ich ging jetzt auf unterschiedlichen Strecken heim, am Sonntagmorgen in aller Herrgottsfrühe. Ich kletterte über ihre hintere Mauer, zog das Rad mit und fiel auf den weichen Acker hinter ihrem Haus, der bald ein Bauplatz werden würde. Oder ich kletterte in den Nachbargarten und in den dahinter, wobei sich der Lenker in meinen Rücken bohrte, und kam jedes Mal an einem anderen Gartentor raus. Man hätte denken können, dass ich es mit sämtlichen alten Damen in ihrer Straße trieb. Schwer zu sagen, was ich an dem Schleichen und Klettern fand, es war einfach ein bisschen aufregend und tat mir gut. Ich machte es jahrelang.
In den folgenden zehn Jahren habe ich nur dreimal mit dem Pfarrer gesprochen.
– Wie geht’s?
– Ganz gut, Father.
– Ich höre da große Dinge.
– Freut mich.
Die Plinsen hat sie nie gemacht.
8 | Louis Armstrong kam nach Dublin, aber ich blieb weg. Ich sah die Fotos im
Herald
: Pops im National Stadium. Er sah gut aus. Er sah aus wie der Mann, der er mal gewesen war. Aber ich nicht. Er hätte mich nicht erkannt. Die Bodyguards hätten mich nicht an ihn rangelassen.
Kennedy kam und blieb ein paar Tage.
Wir brauchen Menschen, die von Dingen träumen, die es nie gab.
Er war nicht zum Arbeiten in Dublin, es war ein Tag zum Laut- und Irischsein. Ich blieb zu Hause.
Dann kam 1966 und der fünfzigste Jahrestag der Osterwoche. Wieder die
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