Die Rueckkehr des Henry Smart
bewegte sich was, und das Radio lief, Nachmittagsgedudel unterbrochen von Werbung. Ich war angezogen, aber nicht zum Gärtnern. Sie hatte das Bein samt Stiefel nicht angerührt. Es schnitt mir ins Fleisch, war schon tagelang dran.
– Was ist passiert? fragte ich.
Sie war in der Küche, beim Backen. Aber sie war sauer.
– Ich hab dich gefunden, sagte sie. – Draußen auf der Straße.
– Tut mir leid, sagte ich. – War ich bewusstlos?
– Nein. Du hattest dich nur verlaufen.
– Ich dachte, das hätte aufgehört, sagte ich.
– Was ist es denn?
Sie hatte mich nicht richtig angesehen. Gebückt stand sie da und sah in den Backofen. Dann machte sie ihn zu und richtete sich auf, ohne dass bei ihr was knarrte oder knarzte. Auch jetzt sah sie mich nicht an, sie war zu beschäftigt. Und wütend.
– Keine Ahnung, sagte ich. – Vielleicht Gedächtnisschwund.
– Warum warst du vor meinem Haus?
– Wann war das?
– Heute Vormittag, sagte sie. – Im Vorgarten.
– Vorhin hast du Straße gesagt.
– Im Garten, sagte sie. – Du warst in meinem Garten.
– Ich bin dein Gärtner.
– Nicht am Dienstag, sagte sie. – Und nicht im Sonntagsanzug.
Es stimmte – ich trug den guten Anzug und die Krokostiefel. Ich rieb mir das Kinn. Ich hatte mich heute früh rasiert.
– Tut mir leid, sagte ich.
– Du hast im Garten gestanden und in mein Fenster gestarrt.
– Das weiß ich nicht mehr.
– Den Romeo nimmt dir keiner mehr ab, sagte sie. – Und ich bin viel zu alt, um für jemanden die Julia zu spielen.
Jetzt schaute sie mich an.
– Das verbitte ich mir.
Sie ärgerte sich, war wütend, weil die Nachbarn womöglich dachten, dass sie es mit einem bezahlten Handlanger trieb, und sie ärgerte sich auch über sich selbst.
– Dann bleib ich eben weg, sagte ich.
Es war mir ernst damit, ihre Vornehmtuerei konnte sie sich sonst wohin stecken. Wofür verdammt noch eins hatte sie gekämpft, als sie die Uniform getragen hatte? Ich wollte nicht fragen.
– Du kannst dir jemand anders für den Garten suchen, sagte ich.
In Ratheen gab’s genug alte Männer.
– Und ob, sagte sie.
– Was backst du? fragte ich.
Aber ich bekam keine Antwort.
– Also bis Samstagnachmittag, sagte sie.
– In Ordnung.
Ich ging durch die Hintertür raus.
Ich konnte mich nicht bewegen. In der Luft nur Dreck und Schreie. Ich lag noch auf der Straße, aber da war keine Straße. Ich wusste, wer ich war. Wo ich war.
Noch ein Knall, noch eine Bombe, weiter entfernt. In meiner Nähe Leute, die schreiend wegliefen. Ich konnte sie nicht sehen. Ich roch Feuer in der Luft. Ich lag unter Backsteinen und lockerem Schutt. Dicker Staub rieselte auf mich.
– Hier drüben ist einer.
Ich hörte die Stimme, konnte den Mann aber nicht sehen.
– Hier drüben. Jesses, sein Bein!
Ich hätte ihm gern gesagt, dass er vierzig Jahre zu spät kam, um es zu retten, aber zum Sprechen hatte ich nicht genug Luft.
Ich spürte Hände, die eine Last von mir wegräumten, hörte Schritte und Keuchen. Das Geschrei um mich herum nahm nicht ab, das Weinen und Würgen. Das Geräusch, der Geruch von Verbranntem. Ich sah ein Gesicht mit einem Taschentuch vor dem Mund.
– Sie leben noch ...
Ich versuchte zu nicken, mich zu bewegen.
– Bestens. Bleiben Sie erst mal ganz ruhig liegen.
Kein Profi, kein Arzt oder Rettungshelfer, das sah ich durch die Staubkruste und an seiner Uniform. Es war ein Briefträger.
– Bombe, sagte ich.
– Bomben. Überall.
Ich hörte Sirenen.
– Viel kann ich nicht erkennen, sagte ich.
– Seien Sie froh drum. Glauben Sie mir, Mister.
Er weinte. Jetzt waren weitere Männer da und eine Trage.
– Ich glaube, die Wand stürzt gleich ein.
– Wir müssen ihn rausschaffen. Barmherziger, das ist ja grauenhaft.
Damit meinte er nicht mich, das sah ich. Er blickte sich um und suchte nach einem Weg aus dem Albtraum.
Ich wollte aufstehen.
– Nein, nein, Sie bleiben schön liegen, wir machen das.
Sie hatten Schutt aus dem Weg geräumt, die Trage stand unmittelbar neben mir. Sie packten meine Füße und Schultern und versuchten mich hochzuheben. Das Bein rutschte aus der Hose.
– Heilige Scheiße ...
– Alles in Ordnung, sagte ich.
Ich konnte sprechen, es hörte sich ganz ordentlich an.
– Es ist ein Holzbein. Hab ich schon seit Jahren.
– Im Ernst? sagte der arme Kerl, der das Bein in der Hand hielt.
– Ja. Bin unter einen Zug gekommen.
– Verdammter Mist. Und jetzt das ...
Sie hatten mich seitlich auf die Trage
Weitere Kostenlose Bücher