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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Freunde.
    Ich hatte keine Lust auf alte Freunde, obgleich die Zeiten sich geändert hatten und mir niemand ans Leben wollte – bis auf die verdammten Bombenleger. Und erst jetzt ging mir auf, dass ich mir über die überhaupt keine Gedanken gemacht hatte. Nicht ein einziges Mal, seit sie mich in den Krankenwagen gehoben hatten.
    Neue Freunde.
    Was hatte ich ihr erzählt? Praktisch alles. Mein ganzes Leben.
    Ich musste mich vorsehen.
    – Hab ich was gesagt, was ich nicht hätte sagen sollen, Father?
    – Nein, nicht wirklich. Von einer verheirateten Frau war die Rede, die Ihnen geholfen hat, sich vor dem Feind zu verstecken.
    – Annie.
    – Genau. Und von einem Klavier.
    – Tut mir leid.
    – In der Spätausgabe war sie nicht mehr drin.
    – Wer hat das hingekriegt?
    – Ihre neuen Freunde.
    – Warum?
    – Sie sind ein Held, Henry. Aber Sie sind müde, ich lasse Sie jetzt in Ruhe. Er stand auf.
    – Eins noch, Father.
    – Ja?
    – Es ist eine sehr direkte Frage.
    – Das haben die richtigen Fragen oft so an sich.
    Verdammt eingebildet, der Typ.
    – Glauben Sie, dass ich erschossen werde, wenn ich hier rauskomme?
    Er sah mich an.
    – Nein, sagte er. – Wieso?
    Der Busstreik war vorbei, als ich rauskam. Das wusste ich, weil ich im Bus saß.
    Ich hatte was anderes erwartet. Eine kleine Menschenansammlung, eine schnelle Runde Beifall, wenn ich die Krankenhausstufen herunterkam. Ein paar von den neuen Freunden, die der Priester erwähnt hatte, oder den Priester selbst, der mir die Tür zu seinem Wagen aufmachte. Ein paar Fotografen und Frauen mit Stenoblöcken. Aber da war niemand.
    Von all dem weiß ich nichts.
    Ich habe keine Erinnerung daran, wie ich das Krankenhaus verließ, oder an den Augenblick, als ich wusste, dass sie mich entlassen würden. Ich weiß immer noch nicht, in welchem Krankenhaus ich war oder ob es Stufen vor der Eingangstür hatte. Aber ich fuhr mit dem Bus nach Hause. Ich trug einen Anzug, der mir passte, aber nicht mir gehörte. Ich hatte gesehen, wie der alte Anzug, verschmort und in Fetzen, mit einer großen silbernen Schere von mir heruntergeschnitten wurde, wie die Schere am Hosenbein hochging, mühelos den Hosenbund durchschnitt und zur Jacke, zu den Schultern weiterwanderte. Ich hatte die Hand mit der Schere gesehen. Ich lag auf dem Rücken, auf einer Rolltrage, unter gleißendem Licht. Aber mein Kopf war abgestützt, ich hatte Kissen unter den Schultern, um die Blutung einzudämmen, die ich nicht sehen oder spüren konnte.
    Ich muss zu Fuß zur Bushaltestelle gegangen sein. Ich muss gewusst haben, wo sie war. Ich war ganz ruhig, es war ja nichts Neues. Und auch das Bein war nicht neu, das hatte ich begriffen, als ich es vor einer Woche angeschnallt hatte und zum ersten Mal seit der Bombe wieder alleine stand und pinkeln gegangen war. Es war das Bein, das ich aus Amerika mitgebracht hatte, sorgfältig gesäubert und poliert. I a! Irgendwer musste in den rauchenden Trümmern herumgekrochen sein, um es für mich zu suchen – so wie ich 1916 nach meiner Flucht aus den Richmond Barracks das Bein meines Vaters gesucht hatte. Wer mochte das gewesen sein? Im Grunde war es einerlei. Es war mein Bein, und ich würde das Gehen nicht neu zu lernen brauchen. Das Knarren der Riemen hätte mir gefehlt und das Gewicht von dem Bein selbst – mein Körper kannte es in- und auswendig. Ich konnte aufs Klo gehen, das war die Hauptsache.
    Und ich sah mich im Spiegel an, betrachtete die Spuren der Schäden, die mich fast umgebracht hätten. Drei dünne Narben zogen sich bis zum Haaransatz. Die eine Gesichtshälfte war ein einziger Bluterguss, der aber schon zurückging, aber das ganze Gesicht war noch etwas geschwollen – ich drehte den Kopf und sah das Profil eines leicht veränderten Mannes. Aber verdammt, irgendwie stand mir das, ich würde besser aussehen als vorher.
    Ich schlug mir auf die Brust und merkte, dass unter dem gestreiften Pyjama noch mehr war. Ich knöpfte ihn langsam auf und sah darunter die wunden, roten und gelben Male auf Brust und Bauch. Die Verbrennungen waren nicht allzu schlimm. Ich war knapp davongekommen und mit rasierter Brust. Zurück zum Bett ging es nicht so schnell. Zum ersten Mal seit der Bombe hatte ich richtige Schmerzen.
    Mein Alligatorstiefel – der Stiefel, den ich mit dem Bein in den Trümmern gelassen hatte – stand unter dem Bett. Er war auf Hochglanz poliert und strahlte frischer als zu Lebzeiten des Viehs. Der andere wirkte dagegen stumpf und gewöhnlich, wie

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