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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Ja, sagte ich. – Bestens.
    Und das stimmte. Ich war noch ein bisschen steif, aber alles in allem okay. Und ich wusste warum. Das Geheimnis war gelüftet. Ich war wieder Henry Smart, eins mit dem Jungen in der Hauptpost. Die Leute wussten, wer ich gewesen war und was ich gemacht hatte. Sie schauten mich an und sahen ihr Land.
    Die Kids auf dem Schulhof hielten sich beim Spielen in meiner Nähe.
    – Ich bin Henry.
    – Nein, ich.
    – Verpiss dich, ich bin dran.
    Sie spielten 1916, ein Schulhof voller Henrys, die reihenweise Briten abknallten. Sie fielen tot um, standen auf und fingen von vorn an. Ich sollte sehen, dass sie bereit waren, für Irland zu sterben. Zu schießen und zu sterben und ewig zu leben.
    Die Lehrer wussten, dass sie von Anfang an recht gehabt hatten. Sie schienen zu wachsen, wenn sie auf mich zukamen, manche waren drauf und dran zu salutieren, das muss man sich verdammt noch mal vorstellen. Einer kniete sogar nieder, und dabei zog er sich die Socken hoch.
    Ich merkte, dass Strickland zusah und versuchte, aus mir schlau zu werden. Warum war ich nicht im Dáil, ein Schattenminister, Vater der Opposition? (1974 war eine Koalition aus Labour und Blueshirts an der Macht.) Oder einer dieser alten Sturköpfe, ein letztes Bindeglied zwischen Geburt und Tod des Landes, einer, der in der Pampa wohnte, wo es noch keinen Strom gab, oder in einem dieser Hochhäuser in Ballymun, und auf Ehre und Ansehen pfiff, die mir eigentlich zukamen? Er kannte seine Geschichte – warum hatte er nichts von mir gewusst? Warum war einer der Helden des Landes Hausmeister an seiner Schule? Niemand mag Fragen, die er nicht beantworten kann, und jedes Mal, wenn er die Tür seines Büros aufmachte, wartete eine lange Schlange auf dem Gang. Er ging nun auf Distanz, blieb nicht mehr auf einen Schwatz stehen.
    Auch Frauen blieben auf Distanz, aber anders. Sie schauten mich so an, wie ich es lange nicht mehr erlebt hatte. Sie sahen auf den Mann, der ich gewesen war, und fanden Spuren von ihm in dem Gesicht wieder, das ich jetzt hatte. Sie waren neugierig – aber das war nicht alles. Die Narben, das Bein – das alles hatte jetzt seinen Sinn. Ich war lebende keltische Mythologie, ich hatte biblische Dimensionen. Ich war der
Quiet Man
, der große Stille, und plötzlich ein ansehnlicher Mann. Die Frauen lächelten.
    Sie kümmerten sich.

9 | Das Lächeln war breit, aber beherrscht. Alles an ihm war strikt unter Kontrolle. Der Bart, die Augen. Perfekte Zähne, zu groß und regelmäßig.
    Einer packte mich und stieß mich vorwärts.
    Ich hatte in der Schule alles abgeschlossen, war dabei, wieder hochzukommen, nachdem ich mich zum Schlüsselloch gebückt hatte, und spürte das alte Ziehen in den Schultern. Ich ließ mir Zeit, versuchte den Schmerz wegzuatmen und hatte es fast geschafft, als der Schlag kam und ich von einem starken Mann quer über den Hof geschleift wurde. Ich hatte keine Zeit, mich zu ihm umzudrehen, aber es war kein brutaler Griff.
    Und er versuchte nicht, sich zu verstecken.
    – Da ist einer, der dich kennenlernen will, Henry, sagte er. – Entschuldige, dass wir’s so dramatisch machen.
    Ich wusste, wer mich zu dem Van stieß, der jetzt am Eingang zum Hof stand. Es war McCauley, der die Jungs für ein Stipendium vorbereitet hatte, ehe in Irland die kostenlose Sekundarstufe eingeführt worden war. Der verrückte McCauley, aber plötzlich war er jemand anders.
    Die Hecktür schwang auf. Ich versuchte gar nicht erst, mich zu wehren. Die Faust, die meine Jacke hielt, hatte zu viel Kraft. Die Tür schwang weiter in meine Richtung, aber McCauley hielt mich nicht zurück, half mir nicht, ihr auszuweichen. Ich lief direkt in sie hinein, und es tat weh.
    – Tut mir leid, Henry.
    Ich machte die Augen zu, um den Schmerz zurückzudrängen – schon wieder tat was weh –, und spürte die Kapuze über meinem Kopf. Warme Baumwolle, ein Kissenbezug vielleicht. Er war nicht sauber, und ich würgte. Eine harte Hand drückte meinen Kopf nach unten, und McCauley stieß mich ins Wageninnere.
    Ich fiel auf den Bauch, hatte keine Zeit, mich abzustützen, und wurde über einen Metallboden gezerrt, der nach Rost und Öl stank.
    – Tut mir leid, das Ganze.
    Das war nicht McCauley. Jemand drückte mir ein Knie in den Rücken. Die Füße, riesige Füße, waren direkt vor meinen Augen. Er kletterte über mich weg – wohl um die Tür zuzumachen. Der Wagen fuhr schon, er hatte sich in Bewegung gesetzt, während sie mich reingezerrt hatten.

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