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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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die Haut von einem einheimischen Tier. Im Bus musterte ich beide – sie passten nicht mehr zusammen. Ich würde mich über den stumpfen Stiefel hermachen, wenn ich zu Hause war, würde mich an ihm abarbeiten.
    Ich hatte keinen Schlüssel und wusste auch nicht, wo er war. Im Rinnstein der Talbot Street, in einem Fach im Krankenhaus – welchem Krankenhaus? – keine Ahnung. Ich suchte noch einmal in allen Taschen und fand den Rest eines Fünfers, mehr nicht.
    Aber ich wusste, dass jemand sich kümmerte. Und aus irgendeinem Grund – oder auch ganz ohne Grund – erschreckte mich das nicht.
    Ich ging zum Pfarrhaus, an die Hintertür. Die Pfarrköchin gab mir einen frisch gefrästen Schlüssel und den Lohn für die Arbeitswoche vor der Bombe. Für die Zeit im Krankenhaus gab es nichts, und ich fragte nicht weiter nach. Der Priester war nicht mein Hauswirt, aber er hatte den Schlüssel zu meinem Haus. Auch danach fragte ich nicht. Ich bekam auch den Schlüsselbund für die Schule.
    – Sie sind bestimmt froh, dass Sie wieder da sind, was? sagte sie.
    – Ja, doch.
    – Dass Sie da raus sind.
    – Yeah.
    Zum ersten Mal hatte sie richtig mit mir gesprochen.
    – Ich hasse diese Krankenhäuser.
    – Ja, klar.
    – Und ich hab Sie in der Zeitung gesehen.
    – Ach ja?
    Sie war Dublinerin, und das war ungewöhnlich. Eine Pfarrköchin ist normalerweise ein Bauerntrampel, geboren zur Sklavin. Ob er es mit ihr trieb? Vermutlich, er hatte etwas sehr Lüsternes an sich, aber das konnte mir egal sein. Sie sah mager und unscheinbar aus, wie sie da stand und sich – zu spät – am Nettsein versuchte.
    – Ja, sagte sie. – Ich hab alles über Sie gelesen.
    – War auch ein Foto dabei?
    – Ja. Sie lagen im Bett.
    Sie guckte auf meine Beine und versuchte rauszukriegen, welches das Holzbein war. Ich half ihr nicht.
    – Und eins von früher, sagte sie.
    – Von früher?
    – Von 1916. Da waren Sie in Uniform, mit allem Drum und Dran. Ein stattlicher Junge.
    – Welche Zeitung? fragte ich.
    Es gab keine Aufnahme von mir aus dem Jahr 1916, aus dem einzigen Foto hatten sie mich rausgeschnitten.
    –
The Independent
, den Father liest.
    – Haben Sie den zufällig noch?
    – Könnte sein, dass er im Büro ist.
    – Wäre es möglich, dass ...
    – Ich komm da nicht rein, es ist abgeschlossen.
    – Lassen Sie nur, sagte ich.
    Ich wollte sie nicht verführen, ich wollte nach Hause.
    – Heut ist sein Golftag, sagte sie.
    Bei einer anderen Frau wäre das vielleicht eine Einladung gewesen, und ich wäre – Alter hin, Alter her – die Stufen hochgestürmt. Aber sie war die Pfarrköchin, und mit dem heimlichen Liebchen des Priesters wollte ich mich nicht einlassen, auch wenn ich sie jetzt hübscher fand als vor ein paar Minuten.
    – Da hat er sich einen guten Tag ausgesucht, sagte ich.
    – Er spielt Handicap zehn.
    Was das bedeutete, wusste sie nicht, und ich wusste es auch nicht. Sie versuchte mich in die Küche zu locken, ich sollte mit ihr in das dunkel-stickige Büro gehen, sie würde den Schlüssel finden, ich würde seine Hausschuhe anziehen. Ich war zweiundsiebzig, sie war in den Vierzigern. Vor ihr stand der Mann, der in der Hauptpost gewesen war.
    – Freut mich für ihn, sagte ich. – Na dann bis später.
    Ich ging die steilen Stufen herunter, die mir zeigen wollten, dass ich ein Krüppel war. Aber ich kam gut zurecht, behielt die Hände in den Taschen. Ich ging nach vorn. Da gab es keine Blicke mehr, vor denen ich mich gerade halten musste. Ich war hundemüde, fix und fertig. Aber ich schaffte es den Hügel runter. Der neue Schlüssel funktionierte, auf dem Tisch waren Weißbrot und Milch und ein Paket Vollkornkekse.
    Jemand kümmerte sich.
    Auf dem Tisch lag auch der
Irish Independent
, aufgeschlagen war die Seite 9, eine alte körnige Aufnahme von einem mageren Jungen in der Uniform der Volunteers, der im Garten seiner Eltern stand. Das war nicht ich, und es war die falsche Uniform. Ich hatte doch recht gehabt – sie hatten mich aus dem einzigen Foto rausgeschnitten.
    Ich schlief die ganze Nacht. Traumlos.
    Ich ging zur Arbeit. Es war die letzte Woche vor den Sommerferien.
    – Gratuliere, Henry, sagte Strickland. – Zurück aus dem Krieg.
    Ich zuckte die Schultern und grinste.
    – Eine schreckliche Sache, sagte er.
    – Stimmt. Furchtbar.
    – Ich hätte Sie wohl besuchen sollen.
    – War nicht nötig, sagte ich.
    – Sie haben keinen Besuch gebraucht, hat Father Devine gesagt. Aber jetzt geht’s Ihnen wieder gut?
    –

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