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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Graben. Wir hielten.
    Der Mann, der neben mir gesessen hatte, streifte mich, er wollte wohl an mir vorbei. Ich war immer noch nicht gefesselt. Ich hörte die Fahrertür aufgehen. Eine Tür. Nur der Fahrer stieg aus. Der Beifahrer blieb sitzen, vielleicht gab es gar keinen. Der Fahrer also und der Mann hinten ... Ich hatte einen auf die Glocke gekriegt, und zwar nicht mit der Faust. Sondern mit einem Gewehrkolben.
    Zwei Mann und ein Gewehr.
    Die hintere Tür ging auf. Ich spürte den Wind. Seeluft.
    – Raus mit dir.
    Er hatte das falsche Bein erwischt.
    – Scheiße. Verzeihung.
    – Kein Problem, sagte ich durch Baumwolle und Erbrochenes hindurch.
    Ich kam allein zurecht, sie ließen mich machen. Ich spürte weichen Boden unter meinem Fuß. Ein Feld? Ein Waldrand? Ich hörte und roch die See. Aber wir waren nicht in den Dünen, und ich war mir ziemlich sicher, dass wir nicht in den Bergen waren. Es war eine lange Fahrt von Dublins Norden in die Berge, und wir waren nicht bergauf gefahren. Der Tag war immer noch heiß. Die Sonne brannte durch die Kapuze und heizte das Erbrochene auf.
    – Dieses Scheißding, sagte ich.
    – Hast ja recht.
    Eine neue, harte Stimme.
    – Du musst die Augen geschlossen halten, sagte die Stimme, mit der ich gefahren war. – Das ist wichtig.
    – Okay.
    Ich spürte seine Hände – beide Hände, er hatte keine Waffe –, als er den Stoff in meinem Nacken packte.
    – Auf geht’s.
    Ich schrie – nein, das Kissen schrie, es riss, als er daran zog, und nahm mein halbes Gesicht mit.
    – Herrgott noch mal.
    Seit Jahren hatte ich mich nicht mehr lachen hören. Ich würde noch lachen, wenn man mich erschoss.
    Ich hatte die Augen nicht aufgemacht.
    Irgendwas wurde mir in die Hand gedrückt.
    – Putz dich ab.
    Die harte Stimme. Der Mann, dem sie gehörte, hatte lange an den verschiedensten Orten gelebt oder das zumindest vorgetäuscht. Belfast, England, amerikanische Ostküste, man hörte es in jeder Silbe, aber nichts konnte verdecken, dass dieser Mann getötet hatte und überzeugt davon war, das Rechte getan zu haben. Es war eine Stimme aus der Vergangenheit, obwohl der Mann, dem sie gehörte, jung war.
    Ich fuhr mir mit dem Tuch übers Gesicht, immer noch mit fest geschlossenen Augen. Es war samtig und dick, zu schwer für ein altes Hemd oder einen Kissenbezug. Es fühlte sich an wie viel benutztes Leder. Ich roch die Politur – es war ein Chamoistuch zum Abledern von Autos, vermutlich hatte es nicht im Van gelegen. Der Geruch nach Politur war frisch. Der harte Mann hatte die Wartezeit damit verbracht, seinen Wagen zu wienern.
    Ich wischte mir Hals und Gesicht ab. Ich stank nach verdauten Cornflakes und Bienenwachs.
    – Wir müssen die Autos wechseln, sagte der harte Mann.
    – Zu meiner Zeit war das nicht nötig.
    Die Pause war kurz und respektvoll.
    – Stimmt. Wir müssen langsam los.
    Ich streckte dem harten Mann das Leder hin, er nahm es.
    – Soll ich weiter die Augen zumachen? fragte ich. – Oder habt ihr eine saubere Tüte oder eine Kissenhülle?
    – Es ist zu deinem eigenen Besten, sagte der Mann, der neben mir gesessen hatte. – Je weniger du weißt und so weiter ...
    Sie zogen mir eine Plastiktüte über den Kopf.
    – Macht ihr Witze?
    – Was anderes haben wir nicht.
    – Unter dem Ding komm ich um.
    – Ich schneid paar lütte Löcher rein.
    Eine Hand griff nach meinem Ellbogen und schob mich sanft vorwärts.
    – Nur ein paar Schritte, ganz flach.
    Die Plastiktüte war grauenvoll. Bei jedem Atemzug legte sie sich heiß und nass an mein Gesicht.
    – Nein, sagte ich.
    Ich blieb stehen. Die Hand zog wieder kurz an meinem Ellbogen.
    – Steig ein, sagte der harte Mann.
    – Nein.
    – Steig –
    – Diese Scheißtüte.
    – Steig ein, dann hol ich dir was anderes. Ich hab einen Pullover im Kofferraum.
    Die Tür ging auf. Die Hand drückte schützend meinen Kopf nach unten und schob mich ins Wageninnere. Ich war ihr Gast. Es war die IRA.
    Ich war nicht mehr auf dem Laufenden – zu dumm!
    Jemand setzte sich neben mich.
    Es gab zwei IRA-Organisationen, die Provisionals und die Officials. Vor ein paar Jahren war es – wieder mal – zu einer Spaltung gekommen, so viel wusste ich, aber mehr nicht.
    – Mach die Augen wieder zu, Henry.
    Er riss die Tüte auf, sie fiel mir vom Kopf, und hängte mir den Pullover drüber. Er gehörte einem Mann, der vierzig Zigaretten am Tag rauchte.
    – Siehst du was?
    – Nein, sagte ich.
    Ich spürte, wie der Motor mit einer kleinen Steigung

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