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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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anwinkeln.
    Links von der Tür war eine Bar mit sechs Hockern, drei Borden voller Gläser und dem Gift deiner Wahl dahinter. Es war niemand in der Bar, aber bevor Rachel oder Bosch »Hallo« rufen konnten, teilten sich zwei schwarze Vorhänge links vom Tresen, und ein Mann mit verschlafenen Augen erschien, obwohl es fast Mittag war.
    »Kann ich was für Sie tun? ’n bisschen früh, finden Sie nicht?«
    Rachel hielt ihm ihre Dienstmarke unter die Nase, worauf er die Augen prompt etwas weiter aufbekam. Sie schätzte ihn auf Anfang sechzig, obwohl sein ungekämmtes Haar und die unrasierten weißen Stoppeln ihre Schätzung möglicherweise verfälschten.
    Er nickte, als hätte er gerade eine Art privates Rätsel gelöst.
    »Dann sind Sie also seine Schwester, habe ich Recht?«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Sie sind doch Toms Schwester, oder nicht? Er hat gesagt, Sie würden kommen.«
    »Tom wer?«
    »Tom Walling. Wer dachten Sie denn?«
    »Wir suchen einen gewissen Tom, der Bordellkunden fährt. Ist das Tom Walling?«
    »Klar, was rede ich denn die ganze Zeit. Tom Walling war mein Fahrer. Er hat gesagt, eines Tages könnte seine Schwester hier auftauchen, um nach ihm zu suchen. Davon, dass sie eine FBI-Agentin ist, hat er aber nichts gesagt.«
    In dem Bemühen, den Schock zu überspielen, nickte Rachel. Es war nicht unbedingt Überraschung, was sie wie ein Stromschlag durchfuhr. Es waren die Kühnheit und die tiefere Bedeutung, die weitreichenden Dimensionen von Backus’ Plan.
    »Wie heißen Sie, Sir?«
    »Billings Rett. Mir gehört der Laden, und ich bin auch der Bürgermeister hier.«
    »Der Bürgermeister von Clear.«
    »Richtig.«
    Rachel spürte, wie etwas gegen ihren Arm stieß, und als sie den Blick senkte, fiel er auf den Ordner mit den Fotos. Bosch gab ihn ihr, hielt sich aber im Hintergrund. Er schien zu wissen, dass plötzlich etwas anders geworden war. Es schien mehr um sie zu gehen als um McCaleb oder auch Bosch. Sie nahm den Ordner und zog eins der Fotos heraus, die McCaleb von dem Charterkunden gemacht hatte, der sich ihm als Jordan Shandy vorgestellt hatte. Sie zeigte es Billings Rett.
    »Ist das der Mann, den Sie als Tom Walling kannten?«
    Rett sah sich das Foto nur ein paar Sekunden an.
    »Das ist er. Einschließlich der Dodgers-Kappe. Wir kriegen hier mit der Satellitenschüssel alle Spiele rein, und Tom war ein absoluter Dodgers-Fan.«
    »Er hat einen Wagen für Sie gefahren?«
    »Den einzigen Wagen. So groß ist mein Geschäft auch wieder nicht.«
    »Und er hat Ihnen gesagt, seine Schwester käme vorbei?«
    »Nein, er hat gesagt, sie könnte vorbeikommen. Und er hat mir was gegeben.«
    Er drehte sich um und sah auf die Borde hinter der Bar. Er entdeckte, wonach er suchte und fasste zum obersten Bord hoch. Er nahm ein Kuvert herunter und gab es Rachel. Das Kuvert hinterließ im Staub auf dem gläsernen Bord ein Rechteck. Es hatte schon eine Weile dort oben gelegen.
    Auf dem Umschlag stand ihr vollständiger Name. Als wollte sie ihn vor Bosch abschirmen, drehte sie den Oberkörper leicht zur Seite und machte sich daran, ihn zu öffnen.
    »Rachel«, sagte Bosch. »Sollten Sie ihn nicht zuerst untersuchen?«
    »Das erübrigt sich. Ich weiß, er ist von ihm.«
    Sie riss den Umschlag auf und zog eine sieben mal zwölf Zentimeter große Karte heraus. Sie las die handschriftliche Nachricht darauf.
    Liebe Rachel, wenn Sie das, wie ich hoffe, als Erste lesen, dann habe ich Sie gut ausgebildet. Ich hoffe, diese Nachricht trifft Sie in guter Gesundheit und Verfassung an. Aber vor allem hoffe ich, es bedeutet, Sie haben Ihre Zurückstufung beim FBI überlebt und sind wieder obenauf. Ich hoffe, er, der nimmt, kann auch zurückgeben. Es stand nie in meiner Absicht, Rachel, Sie in den Ruin zu treiben. Vielmehr beabsichtige ich jetzt mit meiner letzten Handlung, Sie zu retten.
     
    Wiedersehen, Rachel. R
     
    Sie las die Nachricht rasch noch einmal und reichte sie dann über ihre Schulter Bosch. Während er sie las, machte sie mit Billings Rett weiter.
    »Wann hat er Ihnen das gegeben, und was genau hat er gesagt?«
    »Das war vor etwa einem Monat, ein paar Tage mehr oder weniger, und es war an dem Tag, als er mir gesagt hat, dass er von hier weggeht. Er hat die Miete gezahlt und gesagt, dass er das Zimmer behalten will, und dann hat er mir den Brief gegeben und gesagt, er ist für seine Schwester und dass sie vielleicht vorbeikommt und sich nach ihm erkundigt. Und da sind Sie.«
    »Ich bin nicht seine Schwester«,

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