Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Gesicht nach oben gewandt, seine weißen Zähne blitzten unter seinem kurzen schwarzen Bart hervor. Er hielt beide Hände geballt über seinen Kopf, darüber lag ein schwerer Schwarzdornstock. Sein dunkles, ansehnliches Adlergesicht war von rachsüchtigem Haß verkrampft, was seinem Totenantlitz einen furchtbaren, satanischen Ausdruck verlieh. Er hatte offenbar schon im Bett gelegen, als er die besorgniserregenden Geräusche gehört hatte, denn er trug ein stutzerhaftes, besticktes Nachthemd, und die Füße, die aus seinen Hosen ragten, waren nackt. Sein Kopf war gräßlich verwundet, und der ganze Raum zeugte von der wilden Wucht des Schlages, der ihn niedergestreckt hatte. Neben ihm lag der schwere Schürhaken; der Aufprall hatte ihn verbogen. Holmes untersuchte sowohl den Schürhaken als auch die damit angerichtete unbeschreibliche Zerstörung.
»Das muß ein starker Mann sein, dieser ältere Randall«, bemerkte er.
»In der Tat«, sagte Hopkins. »Ich habe mich über diesen Burschen informiert; das ist ein ganz rauher Kerl.«
»Es dürfte Ihnen nicht schwerfallen, ihn zu fassen.«
»Nicht im geringsten. Es lief bereits eine Fahndung gegen ihn, und einiges wies darauf hin, daß er nach Amerika geflohen ist. Jetzt, wo wir wissen, daß die Bande noch hier ist, wüßte ich nicht, wie sie uns entkommen sollte. Wir haben bereits sämtliche Seehäfen benachrichtigt, und noch vor heute abend wird eine Belohnung ausgesetzt werden. Mir ist es nur ein Rätsel, wie sie so etwas Verrücktes haben tun können, wo sie doch wußten, daß die Lady sie beschreiben würde und daß wir sie anhand der Beschreibung erkennen würden.«
»Sehr richtig. Man hätte erwartet, daß sie Lady Brackenstall ebenfalls zum Schweigen gebracht hätten.«
»Vielleicht haben sie nicht gemerkt«, schlug ich vor, »daß sie aus ihrer Ohnmacht aufgewacht war.«
»Gut möglich. Wenn sie den Eindruck machte, als ob sie bewußtlos war, brauchten sie ihr nicht das Leben zu nehmen. Was ist eigentlich mit diesem armen Burschen, Hopkins? Ich glaube, schon einiges Merkwürdige über ihn gehört zu haben.«
»Nüchtern war er ein liebenswürdiger Mann, aber der reinste Satan, wenn er betrunken war, das heißt, wenn er halb betrunken war, denn er hat sich nur selten ganz gehen lassen. Er schien dann geradezu vom Teufel besessen und war zu allem fähig. Wie ich erfahren habe, ist er uns, trotz seinem Reichtum und seinem Titel, schon ein paarmal bedenklich nahe gekommen. Einmal gab’s einen Skandal, als er einen Hund mit Petroleum übergössen und angezündet hatte – den Hund der Lady, um die Sache noch schlimmer zu machen –, was sich nur unter Schwierigkeiten vertuschen ließ. Und einmal hat er eine Karaffe nach diesem Hausmädchen Theresa Wright geworfen; da hat’s Scherereien gegeben. Insgesamt betrachtet – – dies nur unter uns –, wird das Haus ohne ihn heiterer sein. Was haben Sie denn jetzt entdeckt?«
Holmes hatte sich hingekniet und untersuchte mit großer Aufmerksamkeit die Knoten in der roten Schnur, mit der die Lady gefesselt worden war. Sodann prüfte er sorgfältig die zerfranste Stelle, an der sie abgerissen war, als der Einbrecher sie heruntergezerrt hatte.
»Als man die Schnur abgerissen hat, muß die Glocke in der Küche laut geschellt haben«, bemerkte er.
»Das konnte niemand hören. Die Küche befindet sich ganz hinten im Haus.«
»Woher wußte der Einbrecher, daß niemand das hören würde? Wie konnte er es wagen, so leichtsinnig an einer Glockenschnur zu ziehen?«
»Genau, Mr. Holmes, genau. Damit stellen Sie eben die Frage, die ich mir selbst immer wieder gestellt habe. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß dieser Kerl das Haus und seine Gewohnheiten gekannt haben muß. Er muß genau gewußt haben, daß die gesamte Dienerschaft zu dieser verhältnismäßig frühen Stunde zu Bett sein würde und daß unmöglich jemand die Glocke in der Küche hören konnte. Demnach muß er mit einem der Dienstboten in engem Bunde gestanden haben. Dies liegt auf der Hand. Aber es gibt hier acht Dienstboten, und die haben alle einen guten Leumund.«
»Wenn sonst alles seine Richtigkeit hat«, sagte Holmes, »würde man als erstes diejenige verdächtigen, nach deren Kopf der Hausherr eine Karaffe geworfen hat. Aber das würde Verrat an der Herrin bedeuten, der diese Frau so ergeben scheint. Nun, nun, das ist ein unbedeutender Punkt, und wenn Sie erst einmal Randall gefaßt haben, werden Sie vermutlich keine Schwierigkeiten haben,
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