Die Rückkehr des Tanzlehrers
hoffe, ich störe nicht«, sagte sie. »Wo sind Sie?«
»In Boras, und Sie stören nicht.«
»Haben Sie einen Moment Zeit?«
»Ich habe Zeit. Wo sind Sie?«
»In Sveg.«
»Und warten auf die Beerdigung?«
Ihre Antwort kam zögernd. »Nicht nur. Ich habe Ihre Telefonnummer von Giuseppe Larsson bekommen, Ihrem Kollegen, der angeblich den Mord an meinem Vater aufklärt.«
Sie hatte nicht versucht, ihre Verachtung zu verbergen. Das machte ihn wütend.
»Giuseppe Larsson ist einer der fähigsten Polizisten, die mir je begegnet sind.«
»Das sollte keine Beleidigung sein.«
»Was wollen Sie?«
»Daß Sie herkommen.«
Ihre Antwort war schnell und bestimmt gewesen.
»Warum?«
»Ich glaube, ich weiß, was passiert ist, aber ich möchte es nicht am Telefon sagen.«
»Dann sollten Sie mit Giuseppe Larsson sprechen. Ich habe mit der Ermittlung nichts zu tun.«
»Gerade im Moment kenne ich niemanden außer Ihnen, der mir helfen könnte. Ich bezahle das Flugticket und übernehme alle Kosten. Ich möchte, daß Sie kommen. Und zwar so schnell wie möglich.«
Stefan überlegte, bevor er antwortete. »Wissen Sie, wer Ihren Vater getötet hat?«
»Ich glaube es zu wissen.«
»Und Abraham Andersson?«
»Das muß jemand anders gewesen sein. Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb ich möchte, daß Sie herkommen. Ich habe Angst.«
»Wovor?«
»Auch darüber möchte ich nicht am Telefon reden. Ich möchte, daß Sie kommen. In zwei Stunden rufe ich Sie wieder an.«
Das Gespräch wurde unterbrochen. Stefan fuhr nach Hause und ging hinauf in die Wohnung. Noch immer rief er Elena nicht an. Er grübelte über Veronica Molins Worte nach. Warum wollte sie nicht mit Giuseppe sprechen? Wovor hatte sie Angst?
Er wartete.
Zwei Stunden später klingelte sein Handy.
Um 10.25 Uhr am folgenden Tag landete Stefan auf dem Flugplatz von Östersund. Als Veronica Molin ihn zum zweitenmal angerufen hatte, war er fest entschlossen, abzulehnen. Er hatte nicht vor, erneut nach Härjedalen zu fahren. Er konnte ihr nicht helfen. Außerdem wollte er ihr klar und deutlich sagen, daß es ihre Pflicht war, mit der Polizei zu sprechen. Wenn nicht mit Giuseppe Larsson, dann mit jemand anderem. Vielleicht mit Rundström.
Aber als sie angerufen hatte, war alles völlig anders. Ohne Umschweife hatte sie gefragt, ob er kommen werde oder nicht, und er hatte »ja« gesagt. Als er dann anfangen wollte, seine Fragen zu stellen, antwortete sie ausweichend und sagte wieder, daß sie am Telefon darüber nicht sprechen könne.
Nachdem sie verabredet hatten, sich am nächsten Tag in Sveg zu treffen, beendete er das Gespräch. Er hatte sie gebeten, ein Zimmer für ihn zu reservieren, und gesagt, daß er gern die Nummer drei hätte, wie beim letztenmal.
Dann war er ans Fenster getreten und hatte auf die Straße hinuntergesehen. Er hatte sich wieder gefragt, was ihn eigentlich getrieben hatte. Die Angst, die ihm im Nacken saß? Die Krankheit, die er sich um jeden Preis vom Leib zu halten suchte? Oder war es Elena, der er nicht begegnen wollte? Er wußte es nicht. Der Tag, an dem er erfahren hatte, daß er an Krebs erkrankt war, hatte alles verändert.
Außerdem war da die ganze Zeit der Gedanke an seinen Vater. Ich jage nicht Herbert Molins Vergangenheit, sagte er sich. Ich versuche meine eigene Vergangenheit aufzuspüren. Die Wahrheit über etwas, was ich nicht kannte, bevor ich in Emil Wetterstedts Wohnung in Kalmar eingebrochen bin.
Er war vom Fenster zurückgetreten und hatte Landvetters Flugplatz angerufen, die Flugzeiten erfragt und einen Flug gebucht. Dann hatte er Elena angerufen, die schweigsam und abwartend war. Um Viertel nach sieben war er bei ihr zu Hause gewesen, und in dieser Nacht war er geblieben, bis er in seine Wohnung zurückmußte, um ein paar Kleider in einen Koffer zu werfen und dann die vierzig Kilometer nach Landvetter zu fahren.
Sie hatten sich in der Nacht geliebt, aber es war gewesen, als wäre er gar nicht anwesend. Er war sich nicht sicher, ob sie etwas gemerkt hatte. Gesagt hatte sie nichts. Sie hatte auch nicht gefragt, warum er so plötzlich nach Härjedalen zurückkehren mußte. Als sie sich in ihrem Flur verabschiedeten, spürte er, wie sie versuchte, ihn mit ihrer Liebe zu umfangen. Er bemühte sich, seine Unruhe zu verbergen, aber als er durch die menschenleere Stadt zur Alleegata zurückfuhr, war er selbst keineswegs überzeugt, daß es ihm gelungen war. Er hatte etwas Fremdes in sich gespürt, eine Art
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