Die Rückkehr des Verführers
„Hast du es vermietet, während du bei deinem Dad gewohnt hast?“
„Ich habe mich geweigert“, erklärte Macy. „Zuerst habe ich nicht einsehen wollen, dass ich nicht nach Hause zurückkehren konnte. Und dann habe ich Dad nicht recht geben wollen, weil er gesagt hat, es würde Zeit brauchen, bis ich wieder völlig gesund sei.“
„Ich verstehe.“ Chris nickte. „Du kannst ganz schön starrsinnig sein.“
Sie hob die Augenbrauen und begrüßte es im Stillen, dass er ihr wahres Wesen so gut durchschaute. Es stimmte, sie ließ nie von etwas ab, in das sie sich verbissen hatte. Der Unfall hatte sie ein wenig zurückgeworfen, aber sie merkte, dass sie immer mehr wieder zu ihrem früheren Selbst zurückfand. „Stimmt genau. Das macht auch einen Teil meines Charmes aus.“
„Nur einen Teil?“, neckte er sie und lächelte.
Wie sehr sie dieses unwiderstehliche Lächeln liebte! „Der beste Teil davon“, erwiderte sie und verteilte das Essen. Sie unterhielten sich über Bücher und fanden zufällig heraus, dass sie beide mittlerweile auf E-Books umgestiegen waren. „Ich komme sehr gut damit zurecht“, gestand sie. „Man muss nie wieder nach der Stelle suchen, an der man aufgehört hat. Mein E-Reader hat mir in den langen Nächten im Krankenhaus das Leben gerettet. Wenn ich um zwei Uhr in der Nacht aufgewacht bin und etwas Ablenkung gebraucht habe, habe ich meist ein neues Buch recherchiert und es heruntergeladen.“
„Ist das oft vorgekommen?“, fragte er, während er die Reste ihrer Mahlzeit zusammenräumte.
„Ja. Einige meiner Operationen sind sehr schmerzhaft gewesen. Dabei habe ich festgestellt, dass mir die alten Klassiker sehr gut gefallen, die Ms Kieffer uns damals in der Schule aufgebrummt hat.“
„Wie?“, fragte er im gespielten Erstaunen und presste die Hand auf die Brust. „Hast du sie denn damals nicht gelesen?“
Macy wurde rot. „Nein. Ich hatte eine Freundin, die es für mich getan hat und mir dann berichtet hat, worum es in den Büchern ging.“
Ungläubig schüttelte er den Kopf, und sie fühlte sich ertappt – was ja auch stimmte. Aber damals hatte sie sich wie eine Prinzessin gefühlt, und alle waren eifrig bemüht gewesen, ihr zu helfen. Und sie hatte das auch ausgenutzt. „Was ist denn so schlimm daran? Nicht jeder liest gerne. Außerdem hatte ich genug damit zu tun, Cheerleaderin zu sein und mich aus dem Haus zu schleichen, um dich zu treffen.“
„Und darüber bin ich ausgesprochen froh. Also, welches Buch hat dir am besten gefallen?“
„ Stolz und Vorurteil . Danach habe ich die anderen Bücher von Jane Austen auch gelesen – und sogar alle Verfilmungen gesehen.“
„Ja, die sind ganz okay. Ich habe allerdings lieber Die drei Musketiere und Der Graf von Monte Christo gelesen.“
„Die habe ich leider nicht gelesen. Und, kennst du Stolz und Vorurteil? “
„Nein“, antwortete Chris.
„Ich kann dir den Roman gerne geben.“
„Wenn du darauf bestehst. Aber dann gebe ich dir auch Der Graf von Monte Christo .“
„Abgemacht. Dann können wir nächste Woche über die Bücher sprechen.“ Sie war normalerweise eine schnelle Leserin. Und abends im Bett hatte sie eh nichts anderes zu tun, außer zu lesen. Allerdings würde sie jetzt nicht mehr ganz so schnell vorankommen, wenn sie wieder für ihren Vater im Büro arbeiten musste.
„Eine Woche? So schnell lese ich aber nicht“, entgegnete Chris. „Ich habe ja kaum Zeit, mir ein Spiel im Fernsehen anzusehen geschweige denn, ein Buch in einer Woche zu lesen.“
„Okay, dann reden wir einfach darüber, wenn du fertig bist“, schlug sie vor. Heute fühlte sie sich wieder richtig gut und normal. Reiten war ein Teil ihrer alten Routine, und Chris – auch, wenn es ihr schwerfiel, das zuzugeben – war ein Teil ihrer neuen Routine geworden. Er kam ihr wie eine Brücke zwischen ihrer schmerzerfüllten Vergangenheit und der Gegenwart vor.
„Danke für das Frühstück“, fuhr sie fort. „Sag deiner Mutter, dass es wirklich sehr lecker gewesen ist.“
„Mache ich. Wenn wir uns heute Abend bei dir zum Dinner treffen wollen, dann brauche ich noch deine Adresse.“
Nachdem Macy ihm die Anschrift gegeben hatte, brachen sie auf. Nur ungern verabschiedete sie sich von Chris, als er sie wieder zu ihrem Wagen gebracht hatte. Er hatte nicht versucht, sie zum Abschied zu küssen. Sie hoffte inständig, dass er nicht beschlossen hatte, nur ein guter Freund zu sein. Denn sie wollte mehr von Chris Richardson –
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