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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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vielleicht Regen und Hitze und Schnee lauten. Trotzdem sprach die Mahdoubt weiter, als ob der Zorn des Waldes sie auf keine Weise ängstigen könnte: »Durch diese Schmerzen wollten sie die Übergabe des Weißgoldes erreichen. Und ließ sie sich nicht erzwingen, sollte die Lady die Macht des Rings im Namen ihrer Schmerzen unter dem Melenkurion Himmelswehr einsetzen – zu ihrer Unterstützung oder um ihre Absichten zu vereiteln. In diesem Fall hätten der Stab des Gesetzes und das Erdblut und wilde Magie gemeinsam die Kräfte der Lady überstiegen, und die Zeit wäre tatsächlich in Gefahr gewesen. Ihre Feinde können nicht geglaubt haben, dass sie genügend Kraft und Lehrenwissen in sich finden würde, um ihnen entgegentreten zu können, ohne ihr Weißgold einsetzen zu müssen.«
    Schließlich hob Linden den Kopf. Sie wusste jetzt sicher, dass sie Musik hörte: einzelne Noten eines unvollständigen Klagelieds. Sie schwebten zwischen den Bäumen heran, nahmen Gestalt an, als sie näher kamen, und deuteten Worte an, die sie nicht aussprachen. Ich kenne den Hass von Händen, die kühn geworden sind. Als ihr Blick die Mahdoubt streifte, sah sie, dass beide Augen der Alten leuchteten: lebhaft blau und feurig orangerot. Die Mahdoubt war verstummt, als habe das Lied sie zum Schweigen gebracht. Trotzdem schien sie der Ankunft des Forsthüters mit behaglicher Unbesorgtheit entgegenzusehen.
     
    »Noch eh die Erde wurde alt
    War ihre Zeit bereits in Not.
    Kühl sind die Steine, ist der Wald.
    Sie trotzen so Ödland und Tod.«
     
    Wie als Antwort darauf murmelte die Mahdoubt:
     
    »Obwohl die Winde dieser Welt zur Unzeit wehen,
    trotzen junge Blätter dem Beben dieser Welt –
    und werden nicht vergehen.«
     
    Im Wald erhob sich ein leichter Wind, der die trockene Harmonie dürrer Zweige und trockener Tannennadeln zu dem klagenden Zorn einer Melodie verschmolz, die die Oberfläche der Nacht kräuselte. Wie Sterne schienen sich ihre Bruchstücke um das Lagerfeuer her zu versammeln, unterstrichen von dem unterschwelligen Gemurmel von Baumstämmen und -wurzeln. Dieses Lied hatte Linden schon einmal gehört und geschmeckt, jedoch in einer zornigeren, weniger getragenen Tonart. Diesmal enthielt das Klagelied des Waldes Noten, die Fragen zu sein schienen, aber auch kurze Läufe und längere Passagen, aus denen deutlich Unsicherheit sprach. Vielleicht hatte Caerroil Wildholz vor, jeden zu zerschmettern, der hier Feuer machte, aber er wurde auch von Trieben bewegt, die nichts mit den Absichten eines üblen Schlächters zu tun hatten.
    Klang und Kraft dieses Lieds waren fast greifbar, obwohl Linden es nur mit ihrem Gesundheitssinn wahrnahm. Trotzdem enthielt jede Note, jeder Akkord und jeder Takt dieser wie welke Blätter aus dem Geäst der Bäume kreiselnden Musik ein inneres Licht, das sich allmählich zur Gestalt eines Mannes verdichtete.
    Linden wollte instinktiv nach dem Stab greifen, aber die Mahdoubt fasste sie am Arm, ohne sie anzusehen, beobachtete stattdessen den näher kommenden Forsthüter mit ihrem leuchtenden Blick: »Halt ein, Lady. Es genügt, dass der Große Mann von solcher Macht weiß. Er hat kein Bedürfnis, sie vorgeführt zu bekommen.«
    Das verstand Linden trotz ihrer ungeheuren Erschöpfung. Die Mahdoubt wollte nicht, dass sie etwas tat, das als bedrohlich empfunden werden konnte.
    Linden gehorchte. Sie ließ ihre Hände auf den Oberschenkeln ruhen und beschränkte sich darauf, die stattliche Gestalt zu beobachten, die sanft leuchtend wie ein Monarch unter den dunklen Bäumen auf sie zuschritt.
    Der Forsthüter war groß, und sein langes weißes Haupt- und Barthaar umfloss ihn wie Wasser. Aus seinen Augen leuchtete ein durchdringendes, strenges Silberlicht, das weder Iris noch Pupille erkennen ließ und so grell war, dass sie am liebsten den Kopf gesenkt hätte, als sein Blick sie berührte. In einer Armbeuge trug er wie ein Zepter einen kurzen knorrigen Ast. Blumen, die Linden nicht benennen konnte, schmückten seinen Hals in einer Girlande aus sattem Purpur und reinstem Weiß, und vom Kragen bis zum Saum schlicht und reinweiß war auch sein bodenlanges schweres Seidengewand. Als er unter den Bäumen einherschritt, schienen sie sich vor ihm zu verneigen, ehrfurchtsvoll ihre Äste zu senken. Seine Schritte verströmten Melodien, als sei er Fleisch gewordene Musik.
    Die Augen der Mahdoubt glühten in freudiger Erwartung. Ihre seltsamen Farben kündeten von ruhiger Wärme, waren frei von Angst oder Zweifeln.

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