Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
sich dazu herablassen. Erzähl mir also nichts, was sie noch mehr gegen dich einnehmen könnte.«
Mahrtiir verbeugte sich stumm und tief vor Stave, und Linden drückte ihm die Schulter. Am liebsten hätte sie ihn umarmt – um sein Verständnis ebenso anzuerkennen wie die von ihm gebrachten Opfer –, aber sie war sich ihrer selbst nicht sicher. Ihre Emotionen sammelten sich wie die heranziehenden Gewitterwolken. Vor Jahrtausenden hatte Covenant versprochen, nie wieder Macht zu gebrauchen. Aber jetzt gebrauchte er Macht: Er faltete die Zeit. Vielleicht würde er seinen Ring zurückfordern. Weshalb war er sonst so plötzlich aufgetaucht? Vielleicht würde er ...
Und Jeremiah war irgendwie zu eigener Magie gelangt.
Linden schluckte trocken. Sie fürchtete die Folgen ihrer Verletzlichkeit. Gelang es ihr nicht, Staves stoischen Gleichmut zu imitieren, wenn sie Covenant und ihrem Sohn erneut gegenübertrat, würde sie fortgeweht werden wie ein Häufchen trockener Blätter im Herbstwind.
*
Am Ende des langen Tunnels, der in das befestigte Labyrinth von Schwelgenstein hinabführte, wurden Linden, Stave und Mahrtiir von Galt von den Gedemütigten empfangen. Er begrüßte sie mit einem leichten Neigen seines Kopfes, das kaum ein Nicken war, und teilte ihnen mit, er werde die Auserwählte jetzt zu einem Gespräch mit Ur-Lord Thomas Covenant geleiten.
Linden wandte sich an Stave und Mahrtiir. »Diesen Weg muss ich allein gehen.« Vor Beklommenheit klang ihre Stimme gepresst. »Aber ich hoffe, dass du in der Nähe bleibst, Stave. Und Mahrtiir, es wäre vielleicht eine gute Idee, mit Liand und den anderen zum Glimmermere hinaufzugehen. Trinkt sein Wasser. Badet darin. Anele wird es nicht tun, aber die anderen werden davon profitieren. Zwar zieht ein Gewitter auf, aber es fühlt sich nicht wie die Art Unwetter an, die einem schaden kann.«
Als der Mähnenhüter sich vor ihr verbeugt hatte und davongegangen war, wandte sie sich wieder Galt zu: »Also gut. Gehen wir. Ich habe die Warterei satt.«
Ohne ein weiteres Wort führte der Gedemütigte Linden und Stave tiefer in das geheime Labyrinth von Schwelgenstein.
Auf Befehl der Meister hatte die Dienerschaft von Herrenhöh den Weg für sie vorbereitet. Fackeln, die sich mit Öllampen abwechselten, beleuchteten die unbekannten Säle, Korridore und Treppen. Manche Gänge hatten raue Felswände; andere waren von den Riesen aus nur ihnen bekannten Gründen reich ausgeschmückt worden. Aber wegen der unzulänglichen Beleuchtung blieben die Details schemenhaft. Während Galt sie weiter und tiefer in das Labyrinth hineinführte, spürte Linden, dass ihr Weg sie zur Außenmauer der Feste führte, dorthin, wo sie vom Wachtturm aus nach Nordwesten verlief. Seine komplizierte Route – jähe Richtungsänderungen, nicht nach unten, sondern nach oben führende Treppen, Korridore, die in Gegenrichtung zu enden schienen – hätte verwirrend sein können, aber ihre erneuerte Wahrnehmungsfähigkeit schützte sie vor Desorientierung. Als Linden sich bewusst konzentrierte, gelangte sie zu der Überzeugung, ihr Ziel sei fast erreicht, als der Gedemütigte auf einen kahlen Korridor abbog, der nach etwa zwanzig Schritten in Dunkelheit versank.
Neben der letzten Fackel befand sich eine Tür, die jener in Lindens eigenen Gemächern glich. Gern hätte sie eine kurze Pause gemacht, um Mut zu schöpfen, aber da klopfte Galt bereits, und eine durch Stein gedämpfte Stimme bat sie herein – Covenants Stimme, scharf und befehlsgewohnt.
Ohne Zögern öffnete Galt und hieß Linden einzutreten.
Knistern und Knacken eines Kaminfeuers empfing sie, rot von den Steinen reflektierter Feuerschein und das letzte Licht des schwindenden Tages. Diese behaglich anmutenden Sinneseindrücke beruhigten sie. Also gut: Thomas Covenant und ihr Sohn waren noch menschlich genug, um ein Kaminfeuer gegen die im Fels sitzende Kälte zu wünschen und die Vorhänge offen zu lassen, damit das letzte Tageslicht einfallen konnte. Sie würde es ertragen können, die beiden wiederzusehen. Einen Augenblick lang spürte sie noch Staves unnachgiebige Aura nach, dann gab sie sich einen Ruck und trat ein. Hinter ihr schloss Galt die Tür und blieb mit Stave auf dem Korridor zurück.
Jeremiahs und Covenants Gemächer waren größer als ihre eigenen, und an den an den Wänden aufgereihten Steinsesseln und Holzhockern hätten ein Dutzend oder mehr Personen bequem Platz finden können. Auf einem niedrigen großen Steintisch
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