Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
zwischen ihnen standen die Überreste eines reichlichen Mahls: Brot und Trockenobst, mehrere Sorten Pökelfleisch, Eintopf in einer großen Steinschüssel, Tonkrüge mit Wasser und einem anderen Getränk, das schwach nach Aliantha und Bier roch. Der Fußboden war von Wand zu Wand mit einem groben Flachsteppich ausgelegt, dessen Ockerfärbung an das Gewand des Alten erinnerte, der sie vor den ihr drohenden Gefahren hätte warnen sollen. Über dem Kamin hing ein dicker Gobelin in Blau- und Rottönen, dessen Farben einst geleuchtet haben mussten, heute aber verblasst waren: eine stilisierte zentrale Figur, von kleineren Szenen umgeben. Linden kannte das Thema des Bildteppichs nicht und versuchte auch nicht, es zu interpretieren.
    Vier weitere Türen führten in weitere Räume, vielleicht zwei Schlafzimmer und ein Bad. Eine von ihnen jedoch stand offen, und ihr Blick fiel auf einen breiten Balkon hinaus, hinter dessen zinnenbewehrter Brüstung der Spätnachmittagshimmel düster leuchtete. Hier, im Nordosten von Schwelgenstein, schnitten die senkrechten Felswände, die den keilförmig vorspringenden Teil der Feste und das Plateau schützten, die direkten Sonnenstrahlen ab. Von dem Balkon aus würden die Felder, die die Bewohner von Schwelgenstein ernährten, sichtbar sein. Und ganz rechts, entlang dem nach Südosten weiterführenden Wall, musste zumindest ein kleiner Teil der versammelten Dämondim-Horde zu erkennen sein.
    »Linden.«
    Covenant.
    Sie vergaß Balkon und Dämondim, hatte mit einem Mal nur noch Augen für ihn ... und ihren Sohn. Die beiden hatten sich seit ihrer Begegnung in der Torhalle kaum verändert. Jeremiah fläzte mit der wenig eleganten Nachlässigkeit eines Teenagers in einem Steinsessel und grinste heimlich vergnügt oder zufrieden. Obwohl Lord Foul ihn gefoltert haben musste – ihn womöglich in eben diesem Augenblick folterte –, hatten seine Gesichtszüge ihre Jugendlichkeit bewahrt, aber das leichte Sabbern, das seinen schlaffen Mund jahrelang entstellt hatte, war verschwunden. Sein linker Augenwinkel zuckte noch immer.
    Seine Augen hatten die trübe Farbe schlammigen Wassers und waren aufmerksam auf seine Adoptivmutter gerichtet, als suche er nach Zeichen von Anerkennung, Verständnis, Liebe. Hätte Linden ihn in ihrem verlorenen gemeinsamen Leben jemals so gesehen, wäre sie vor Freude in Tränen ausgebrochen; sie hätte ihn an sich gedrückt, während ihr Herz zerbrach und wieder neu wurde. Aber jetzt brannten ihre Ängste – um ihn, vor ihm – in ihrem Blick, und dass sie kurz verschwommen sah, kam nicht von Freude oder Trauer, sondern von Beklommenheit.
    Sagt ihr, dass ich ihren Sohn habe.
    Er blieb ihr verschlossen, noch mehr selbst als die Haruchai. Ihr Gesundheitssinn konnte nichts von seiner körperlichen oder emotionalen Verfassung erkennen. Unter dem blauen Schlafanzug mit den aufgerichteten Pferden suchte sie seinen kostbaren Leib nach den Spuren jener Schüsse ab, die ihr Leben beendet hatten. Aber der Stoff war an zu vielen Stellen zerrissen, und die sichtbaren Hautstellen waren zu schmutzig, als dass zu erkennen gewesen wäre, ob er getroffen worden war.
    Getroffen und wieder geheilt.
    Für ihren gewöhnlichen Blick sah er gut aus; so wohlversorgt und gesund wie an dem Abend, an dem Roger Covenant ihn entführt hatte. Sie verstand nicht, wie das möglich war, konnte sich nicht vorstellen, dass Lord Foul sich um seine Bedürfnisse gekümmert haben sollte. Covenant behauptete, die Zeit gefaltet zu haben, sodass Jeremiah und er sich an zwei Orten zugleich befanden. Oder in zwei Realitäten. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, wie diese Vergewaltigung der Zeit die körperliche Gesundheit ihres Sohns wiederhergestellt haben sollte. Oder seinen Verstand.
    Covenant selbst saß auf einem Hocker in Jeremiahs Nähe, den Hocker auf zwei Beinen nach hinten gekippt an die Wand gelehnt, einen hölzernen Humpen in der Hand.
    Auch er lächelte – mit spöttisch verzogenen Lippen und einer für ihn untypischen Schlaffheit von Mund und Wangen. Sein Blick wirkte abschätzend, dumpf. Äußerlich war er derselbe Mann, den sie im Land so lange gekannt hatte: bis zur Auszehrung hager, zu Extremen neigend. Eine blasse Narbe auf der Stirn kündete von tieferen Wunden, die er sicherlich klaglos ertragen hatte. Und doch wirkte er abwesend – als sei irgendein geheimer Teil seines Verstands mit etwas anderem beschäftigt. Sein rechter Arm hing entspannt herab, und die baumelnden Finger seiner

Weitere Kostenlose Bücher