Die Rückkehr (German Edition)
benebelt wie die anderen Geisterjäger, deren ausdruckslose Verzweiflung sie zu willkommenen Opfern für Lug und Trug machte. »Ich habe gehört, dass es in diesem Raum spukt.«
»Das stimmt«, sagte sie, »Übrigens, ich bin Tonya. Tonya Townsend.«
»Ich bin Ann und das ist Duncan.«
Duncan bewegte sich vom Fenster weg und gab vor, die Kammer zu untersuchen. Er ging sogar soweit, mit seiner Taschenlampe in die Ecken zu leuchten.
»In der Kammer ist nichts«, sagte Tonya. »Es ist weg. Ich habe es gespürt.«
»Sind Sie ein... wie nennt man das, ein ›Medium‹?« Ann dachte, dass sich die Frau geehrt fühlen würde.
»Ich bin Friseuse«, antwortete sie. »Der Kopf ist ein mächtiges Zentrum der spirituellen Energie, und wenn man jemanden frisiert, macht man mit dem Kronenchakra herum.«
Ann hatte bereits von dem Energiesystem der sieben Punkte gehört, das aus der hinduistischen Heilkunde stammte, aber sie war sich nicht sicher, ob daran wirklich mehr Wahres war als an Geistern und Kobolden. Trotzdem nickte sie, eher weil sie Tonya von ihrem Verdacht ablenken wollte, und weniger weil sie sich für das Thema interessierte. »Und Sie wissen, wenn Geister anwesend sind?«
»Ja«, antwortete sie und schaute auf Duncan, der nun damit beschäftigt war, unter das Bett zu blicken. »Ich kann sie spüren. Ungefähr so wie die atmosphärischen Störungen vor einem Gewitter.«
Oder vielleicht eben genau das. Eine von Anns Theorien besagte, dass kleinere elektromagnetische Schwankungen zu Orientierungsverlusten und Halluzinationen führen konnten, und Leute, die so gebaut waren, dass sie darauf ansprachen, mehr dazu neigten, von übersinnlichen Erfahrungen zu berichten.
»Haben Sie hier vorhin etwas gespürt?«, fragte Duncan. Sein Blick traf den von Ann, und sie sah einen verschwörerischen Schimmer in seinen Augen. Er war dabei, das Thema zu ändern.
»Ja. Es war der Selbstmörder. Der, der aus dem zweiten Stock gesprungen ist und aufgespießt wurde.«
Ich dachte, er sei aus 318 gesprungen«, sagte Ann. Sie war dabei, den Überblick über die Zimmer, in denen es spuken sollte, zu verlieren.
»Er wandert von Raum zu Raum. Muss sich ja nicht um die Wände kümmern, oder?«
»Ich denke nein«, sagte Duncan.
»Er hat eine traurige Ausstrahlung. Ich bin Geistern begegnet, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litten, und die wissen normalerweise nicht, was mit ihnen passiert ist. Dieser Kerl verhält sich, als ob er weiß, was für eine Entscheidung er getroffen hat, und sie jetzt bereut.«
Ann biss sich auf die Lippe, um nicht zu grinsen. Tonyas Gesicht war so ernst, dass Ann ihr fast glaubte, wenn man mal davon absah, dass der Kerl seit vielen Jahren tot war und sie über ihn sprach, als sei er gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt.
»Denken Sie, dass er wieder hierher kommen wird?«, fragte Ann, während sie einen Flip Camcorder aus ihrer Brusttasche fischte. »Wäre toll, wenn ich Aufnahmen für meinen YouTube-Kanal machen könnte.«
Tonya kniff die Augen zusammen. »Sie können ihn nicht sehen. Er besteht aus Energie und hat nicht genügend, um sich zu verkörperlichen.«
»So wie eine Batterie, die schwach geworden ist?«, fragte Duncan im Versuch, das Ganze etwas wissenschaftlicher zu gestalten.
»Sie haben von der Aura gehört, oder? Die Energieringe über den Köpfen der Menschen? Es ist ungefähr das Gleiche.«
»Klasse«, sagte Ann. »Können Sie sie sehen?«
»Ich kann sie bei den Lebenden und den Toten sehen. Deshalb weiß ich, in welcher Stimmung sie sich befinden.«
»Welche Farbe hat meine?«
»Orange, die Farbe von Feuer und Leidenschaft.«
Ann fühlt einen kleinen Anflug von Stolz, auch wenn sie kein Wort davon glaubte.
»Was ist mit mir?«, fragte Duncan.
»Sie sind ein Grüner. Erdverbunden und strahlend.«
Ann konnte nicht widerstehen: »Und der tote Mann?«
Tonya schloss ihre Augen. »Das werden Sie nicht glauben.«
Das kannst du ruhig zweimal sagen. Ann spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten, als die Temperatur im Raum spürbar sank.
»Er ist hier«, flüsterte Tonya.
Duncan, der auf dem Bett saß, blickte im Zimmer umher. Ann hielt unwillkürlich den kleinen Camcorder hoch. »Wo?«
»Genau hinter Ihnen.«
Trotz ihres Zweifels setzte Anns Herzschlag für einen Moment aus. Als sie sich umdrehte, bildete sie sich ein, ein langsames Ausatmen in ihrem Nacken zu spüren. Sie überlegte sich, ob sie anfing, unter einer besonderen Version des Stockholm-Syndroms
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