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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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spielte Abel zu Hochzeiten oder bei Galas, ab und zu auch für eine Saison in einem Hotel, das es noch einmal wissen wollte. Oft sagte er: Die Schweiz liebt ihre Künstler nicht, und jedermann wusste, dass er wiederum zu einem mittelprächtigen Engagement aufbrach, das ihm nur wenig Freude brachte, dafür etwas Geld, das er vorsorglich für seine Mondaine zur Seite legte. Die große Zeit der Radioorchester war vorbei, seine Blütezeit Vergangenheit, und wenn er auch lauter Banausen zu seinen Gästen zählte, die seine Art der Musik nicht verstanden, so spielte er doch mit Inbrunst und der Sehnsucht nach den Jahren, als er und Mondaine noch große Träume hatten, als sie schillerten für die ganze Welt. Jetzt schillerten sie nur noch füreinander.
     
    Noch immer aber bespielte Abel stapelweise Tonträger mit seinen Kompositionen, die neuerdings auch aus metallischen und künstlichen Klängen bestanden. Kein Instrument, das er nicht ausprobieren wollte, sein Studio war eine Fundgrube, ein Abenteuerland gewesen, auch als Lorine und Aude noch kleine Kinder waren. Heute war sein Studio sein letztverbliebenes Rückzugsgebiet.
    Omama ihrerseits füllte sich die Tage damit an, durch das Einkaufszentrum zu flanieren und Kommissionen zu machen, sich mit neuerworbenen Bekannten zu treffen und oft eben im Restaurant »Schiff« auszuhelfen. Sie war eigentlich immer unterwegs, und die beiden vereinbarten jeden Morgen, in welchem Café sie sich um welche Uhrzeit für eine erste Schale mit Gipfeli treffen wollten. Nachmittags dann das gleiche Ritual: Man traf sich im »Müller«, im »Feller« oder bei der »Ebnötherie« und aß eine Kleinigkeit und besprach die neuesten Blick-Schlagzeilen.
    »Hast du gelesen, Papeli, dieser reiche Bonz will seiner Frau keine Alimente bezahlen!«
    »Welcher reiche Bonz?«
    »Na, dieser ausländische Gesundheitsapostel, dieser Fitnesstrainer der Zürcher Schauspielerin, wie heißt die jetzt noch gleich? Ah, du weißt schon, dieser bornierte Bonz. Es gibt nur einen. Dabei ist das doch so wichtig, dass ein Vater für seine Kinder bezahlt.«
    Aude sah, wie Omama die Boulevardzeitung noch einmal aufschlug und mit eigenen Augen nachprüfte, was sie in der Küche des Restaurants »Schiff« erfahren hatte. »Da steht es, schwarz auf weiß: ER WILL NICHT ZAHLEN.«
    Abel seufzte. Seine Finger zappelten schon wieder gefährlich, bald würde er aufstehen und ins Studio gehen.
    Aude entging nicht, dass ihre Omama sie eingehend musterte. Schon an ihrem Tonfall hatte sie gespürt, dass sich in ihr die alte Frage am Flaggmast der Neugier hochtakelte, dass sie sie aussprechen musste, auch wenn sie bereits ein Jahr erfolglos und ohne Antwort geblieben war. Aber Mondaine überlegte es sich anders und drängte den Impuls zurück, sie wusste ja, dass es sinnlos war, noch einmal nachzuhaken, also sagte sie stattdessen im Ton der persönlich Betroffenen: »Darum bekommt unsere Aude ja auch nichts.«
    »Warum?«, forschte Opapa nach, in seine Stimme hatte sich etwas Unwirsches gemischt, er war immer auf Audes Seite, und dass ihr Aurelio Musikerfingerchen hatte, sich dessen zu vergewissern hatte er sich schon am ersten Tag nach der Geburt aufgemacht.
    »Na, wenn er ein Schweizer wäre und nicht einfach irgendeiner aus dem Ausland, hätte er bestimmt schon längst bezahlt! Die Schweizer sind halt doch aus einem anderen Garn gestrickt.«
    »Ein Schweizer, sagst du? Ich sag dir: Nimm dir deinen Schweizer, stell ihn auf den Kopf und schüttle ihn so lange, bis sich auch die aufs Sorgfältigste umgeschlagenen Fädenin seinem Gewand lösen, dann verfolge diese bis zu ihren ursprünglichen Spulen zurück und drehe sie einzeln auf. Du findest Zwirn aus allen möglichen Teilen Europas, ja der ganzen Welt, aber eines, das findest du ganz bestimmt nicht: und das ist Garn, das einzig und allein in der Schweiz gesponnen worden ist.«
    Aude war überrascht über diesen Ausbruch. Es war etwas Neues, dass Abel laut wurde und dass so viele Worte auf Deutsch über seine Lippen gingen ganz ohne französischen Unterbau, und alle so rasch hintereinander gesprochen, als ob ihm die Zeit ausginge … und dass ihr Opapa so viel von Garn und Zwirn verstand, überraschte sie grad noch mehr, aber da war er schon aufgestanden und sagte scharf, aber noch immer mit der nötigen Liebe für seine Prinzessin Mondaine in der Stimme: »Keiner war schon immer da«, und verfügte sich nach hinten.
     
    So. So wollte sie ihn in Erinnerung behalten. Mit

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