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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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feinsten hochflaumigen Daunen, das wäre etwas für dich, Aude! Und all die Toilettengarnituren in Metall und Glas, Berufsonduliereisen für Locken, Bart, Krepphaar und Papilloten-Eisen, kosmetische Artikel für den Service: Lotionen, Shampoos, Brillantine, Haarglanz, Fixative und Haarlack,Dauerwellenwasser und natürlich Saison für Saison neue Haarfarben. Stell dir das nur einmal vor, so ein großes Geschäft voller Schönheitsartikel! Und er hat mich immer mitgenommen, auf all seine Handelsreisen! Als Kind schon, überallhin! … Wie sind wir jetzt darauf gekommen?«
    »Du erzählst von früher, wie das so war in Bern, an der Kramgasse.«
    »Also, seine Kundschaft waren die Geschäfte. Und wenn Private zu uns kamen, haben wir auch an die verkauft. Die haben sich dann gedacht, es wäre bestimmt billiger, wenn sie mehrere Stück gleichzeitig nehmen. Zum Glück konnte ich so gut rechnen! Jeder Artikel, jedes einzelne Stück, Aude, hatte den Verkaufsdetailpreis drauf, hinten auf der Etikette, dann den Dutzendpreis, den Halbdutzendpreis und den Preis fürs Vierteldutzend. Und alles musste man von Hand beschriften! Das waren so weiße und grüne Etiketten mit roten Fädchen, die hat es früher noch gegeben. Und dann gab es Filzmappen, darauf waren die Kammmuster aufgenäht, das hat die Mausi jeweils gemacht, stapelweise Filzmappen mit Kämmen bestückt, je du.«
    Mondaine musste plötzlich niesen. Aude dachte, beim Niesen klingt jeder nach seiner Heimat. Es war ein bernisches Niesen, ohne Zweifel, mit einem kleinen Schuss Ungarn drin, wenigstens so, wie sich Aude Ungarn vorstellte.
    »Meine Mutter hat auch noch eine Weile die Posticheuse gemacht. Wir haben ausgekämmte Haare gekauft. Früher haben halt alle lange Haare gehabt. Die musste man in Benzin waschen, das hat alles d’Mamme gemacht. Und dann musste man sie aufzupfen. Mit der Hechel haben wir sie gereinigt und getrennt in einzelnen Fasern der Länge nach sortiert. Und dann hat man kleine Bündeli abgebunden und die in Seifenwasser gewaschen. Und dann sind die Spitzen – du glaubst das nicht, aber ein Haar hat einen Kopf und eineSpitze, da müssten wir jetzt ein Schübel Haare zur Hand haben, damit ich dir das zeigen könnte! Wenn also die Haare noch nass waren, musste man die Spitzen von den Köpfen trennen, denn zur Verarbeitung müssen die Köpfe oben sein, sonst gibt das einen Filz! Das hat sie alles gemacht, d’Mamme. Ich musste mithelfen und Mausi auch. Das waren so Bündeli, die hat man an Schnüren aufgehängt, davon hatten wir haufenweise! Da gab es natürlich alle Farben, wenn die Kunden gekommen sind, wollten sie Farben sehen, und alles, alles hatten wir! Mei. Und wir hatten ja auch Kunden, du. Solche wegen der Mode und solche wegen Unfällen. Ein Meitschi, ein zwölfjähriges, das in eine Dreschmaschine geraten war, dem hat es die Haare und Teile der Kopfhaut grad abgerissen, aber, er war darin ein großer Spezialist, mein Vater. Er hat es wieder schön gemacht. Wenn schon nicht heil, dann wenigstens schön, pflegte er zu sagen. Er fand das ja sehr sinnig. Das weiß ich noch.«
    Gemeinsam sahen die beiden Frauen eine Reihe alter Fotografien durch.
    »Und dann ist meine Komödie mit dem Pino losgegangen, und meine Schwester stirbt, und da bin ich im Geschäft geblieben, musste bleiben, und da war ich überall, habe alles gemacht. Aber es ist dann doch unmöglich geworden …, da bin ich halt gegangen. Das kommt aber nicht da drauf, auf das Tonband, das will ich nicht.«
    Mondaine stockte. Fingerte verloren an einer Fotografie herum, deren Ecken sich von den Dreieckslaschen gelöst hatten.
    »So war das. Besonders erinnere ich mich daran, wie meine Mutter mit den Haaren ausgesehen hat. Die ist ja immer dahergekommen, ich sehe sie noch vor mir, wie eine Putzfrau! Heute darf man das ja nicht mehr sagen, heute sagt man Reinigungsfachfrau, so wie ein Abwart neudeutschFacility-Manager heißt, all das Gehabe, aber du weißt schon, was ich meine, Aude. So verhudelt war sie; ein Rock ohne Korsett, ein alter Schurz drüber, und das hat mich so gestört, da machst du dir keinen Begriff, wie mich das gestört hat an meiner eigenen Mutter. Als ob ihr nichts Schönes zugestanden hätte. Als ob sie für sich nicht in Anspruch nehmen dürfte, auch einmal herausgeputzt und hübsch zu sein. Das ist das Einzige, was ich von meiner Mutter …, nun ich weiß doch noch etwas, wir sind immer zusammen mittagessen gegangen, sie hat selten selber gekocht. Da sind wir ins

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