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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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Position, der Vater war ja Parlamentarier, der hätte eigentlich anstelle vom Celio Bundesrat werden sollen, sein Vater, naja, das ging ja nicht.«
    Mondaine machte eine lange Pause. Ihre Hände fächerten Bilder auf, lose Fotografien in Hirschbraun mit gezackten Rändchen. Dann seufzte sie.
    »Die hatten dazu geschaut, Sandro und sein Vater, dass ich mich doch noch scheiden lassen konnte. Ich hatte drei Anwälte. Nacheinander. Zuerst hatte ich mich wieder einbürgernlassen müssen, durch die Hochzeit mit Pino war ich automatisch zur Italienerin geworden. Und der alte Kommissar Bärtschi von der Fremdenpolizei, ja … der wollte mich überfallen und mit mir weiß ich was anstellen, der hat gemeint, ich sei so ein armes Ding … nein, nein du. Und dann ist das mit diesen Abszessen losgegangen, und ich habe geheult und geheult. Abel kannte ich da schon, ihm konnte ich alles erzählen, und er tröstete mich.«
    Mondaine schneuzte sich in eines ihrer zahlreichen bestickten Taschentücher.
    »Ich erzähle ein bisschen durcheinander, was? Wart mal. Ich muss überlegen.«
    Und wieder wanderte ihr Blick nach innen, strich über die Trottoirs und durch die Laubengänge Berns, zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, die Zeit der Tragödie, ihre Zeit als junge Frau.
    »Eben, der Sandro. Ihn kannte ich damals, und auch den Abel kannte ich und noch einen Amerikaner, einen Mister White, alle drei gleichzeitig. Im Geschäft haben die Telefone geschellt, und die Angestellten riefen:
Telefon!
; und ich habe immer zurückgerufen:
Ist es Englisch? Ist es Deutsch? Italienisch oder Französisch?
«
    Da musste Mondaine lachen. Es war das Lachen einer jungen Frau Mitte zwanzig. »Die mussten auch gedacht haben von mir:
Iiih, die lebt ein Leben!
Ganz verrückt!«
    Dann machte sie wieder eine Pause. Las in ein, zwei Briefchen, steckte sie vierfach gefaltet in ihre Miniaturumschläge zurück, japste nach Luft.
    »Und keiner hatte etwas gewusst vom anderen. Und der White hat mich auch heiraten wollen, der war aber zwanzig Jahre älter als ich, der war ja da schon über vierzig! Von ihm habe ich meine goldene Uhr bekommen, die Türler Uhr, ich war achtundzwanzig damals, seit fünfundfünfzig Jahren also eine Türler Uhr, die immer noch läuft – im ZürcherHotel Baur au Lac hatte er sie mir geschenkt. Doch, doch. Ich habe ein schönes Leben gehabt. Es hat so sein müssen, denn ich hatte kein Zutrauen mehr. Ich wäre ja heute noch mit dem Italiener zusammen, von mir aus, verstehst du? Aber der hat halt …, meine Eltern hatten ihn nicht ins Geschäft genommen, und er hat mich geheiratet, weil er dachte, meine Eltern würden ihn ins Geschäft nehmen.«
    Aude schien es, ihre Großmutter sei sehr weit weg, als sie fortfuhr zu erzählen: »Und nachher macht mir mein Vater das, was er gemacht hat. Tut mir das an. Ich war oft außer Haus, da haben wir uns unten getroffen, der Pino und ich, beim Italienermädchen, das Südfrüchte verkaufte in der Laube, das gab’s früher einmal, da sind wir manchmal auf die Münster-Plattform, weißt du, wenn ich nur hie und da eine halbe Stunde ab konnte, da habe ich mich gleich an den Pino gehängt. Regelrecht. Und der hat das natürlich akzeptiert. Und nachher, ja, das war alles in der gleichen Zeit, ich glaube, ich war gerade eine Woche zwanzig, als mir mein Vater diesen Antrag machte, mir!, und ich haute ab.«
    »Wo war Mausi zu der Zeit?«
    »Meine Schwester war in Wengen in den Ferien. Ich bin zu ihr gegangen. Aber ich habe ihr nicht erzählt, was passiert war. Jee, ich hätte nie den Mut dazu gehabt. Von dort habe ich jeden Tag mit dem Pino telefoniert, und so ist er mich besuchen kommen. Obwohl ich minerläbtig nie etwas mit ihm gehabt hatte oder irgend oder was, aber ich habe dann grad ein Kind bekommen von ihm! Ich habe nicht einmal gewusst, wie das ging. Als er zur Welt kam, der Massimo, habe ich geglaubt, er käme hier zum Nabel raus, denk nur!«
    Sie schnaubte, griff nach ihrem Inhalator. Sie tat einen tiefen Zug.
    »Meine Eltern kamen mich nicht besuchen im Spital mit dem Bébé. Darauf habe ich bei Ciccioriccios gewohnt. DieMutter hat Geld gegeben. Jaja, das Geld. Geld hatte bei uns nie gefehlt, da ist alles immer mit Geld abgefertigt worden. Und ich wollte doch nicht mehr nach Hause. Ich wollte bei meinem Mann bleiben. Dann haben wir geheiratet, aber erst hinterher, erst in Bern, der Bub war schon drei Monate alt, aber da ist kein Vater mitgekommen zur Hochzeit, auch von Pinos Seite nicht.

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