Die Ruhelosen
ihre Rolle ja zur vollen Zufriedenheit, sorgte sich darum, dass seine Hemden allabendlich gewaschen und gestärkt wurden, besorgte ihm Talgnachschub, soviel er brauchte, ließ das Leder seiner Schuhe durch das Tagespersonal zum Glänzen bringen und achtete darauf, dass er nie ohne perfekten Scheitel das Haus verließ. Und auch in geschäftlichen Belangen mischte sie sich nicht unwesentlich ein, jedoch immer mit der gebührenden Zurückhaltung, so dass ihre Ideen für neue Accessoires genauso gut die seinen hätten sein können, und wirklich, wer könnte denn auseinanderhalten, wer von den beiden die Eingebung mit den Schmucktäschchen und Juwelenbeuteln aus besonders feinem Lammnappa, Pannésamt und Zobelfellsaum gehabt hatte, die im Winter 1889 in keinem Weiberhaushalt fehlen durften?
Dafür ließ er sie auch gewähren mit ihrem kleinen dummen Fimmel für Spielzeugwaren. Sie sammelte unermüdlich Karussells, Schiffe und Eisenbahnen, buntbemaltes wertloses Blechzeug, das sie stundenlang versonnen polieren konnte und aufreihen in immer neuen Arrangements über dem Kamin, auf dem Flügel, selbst auf der Fensterbankin der Küche, wo sie der Köchin in die Quere kamen und nun wirklich nichts verloren hatten. Aber Abelarda war still und glücklich und auf eine besondere Weise auch gefügig, wenn sie nur ihre täglichen Spielstunden verleben konnte, allein mit sich und den kleinen Dingen aus Holz und Blech und Kupfer und Stoff. Denn dass irgendein anderer ihre Sammlung anfassen durfte, war undenkbar. Zum Glück. So blieb ihm einzig die Rolle des stillen Bewunderers zugedacht, wenn sie ihm wieder einmal ein besonders hübsches Stück unter die Nase hielt, das sie irgendwo ergattert hatte.
Obwohl er sich oft selbst wie eines ihrer Spielzeuge fühlte, nicht als Mann, sondern als etwas Putziges, Kleines, Kurioses gar – und das behagte ihm am allerwenigsten –, ließ er sie gewähren. Ihr Geist schien im Spiele mit ihm und ihren tausend Sachen interessiert und angestrengt, als lerne sie irgendein Wissenschaftsfach, von dem er selbst keine Ahnung hatte. So paradox ihn das in seinem logischen Denken auch anmuten musste, sie entspannte sich auch, je tiefer sie in dieses geheimnisvolle Spiel eindrang, wie ein Kind, das mit einem Puppenhaus spielt und dabei ganz verzückt ist, so verzückt, dass es gar nicht merkt, wann die Zeit gekommen ist, um endlich erschöpft ins Bett zu fallen und einem guten Traum entgegenzugleiten, der einem die nötige Erholung bringt, damit man für den nächsten Tag wieder zu Kräften kommt.
Nur manchmal funktionierte dieser Trick nicht, seine Frau spielen zu lassen, sie war wie ein junger Löwe im Zoo, der auf seinem Vaterlöwen herumturnt, ohne die Gefahr zu spüren, die ihm damit droht. Dann musste er sie entweder gewaltsam zurück in die Welt holen, indem er sie wieder für ein paar Tage alleine ließ, auf dass ihr der Kopf klarte, oder indem er genau das Gegenteil davon machte und er sich seiner eigenen fürchterlichen Musik stellte, die in seinemKörper Resonanz fand, wenn er sich über sie warf – und sich hingab. Die Riten ihrer körperlichen Vereinigung waren rasch heftiger und brutaler geworden, unkontrollierbar für sie beide, und manches Mal betrachteten sie sich danach gegenseitig verschämt und schwiegen über die blauen und violetten Flecken, die sich auf der Haut abzeichneten, kaschierten Bissstellen am Hals und hinter den Ohren mit einer bewährten Mischung aus Puder, Reismehl und Karmin und lieferten sich bei Tageslicht ermüdende Gefechte der Leidenschaftslosigkeit, bis es wieder so weit war und sie die Rechtmäßigkeit ihrer Ehe unter Beweis stellten.
Er war soeben nach Hause gekommen und hatte seinen Hut auf die Ablage gelegt, da öffnete Abelarda schon die Türe zum Flur, wo er noch im Halbdunkeln stand, und sah ihn auf diese unerklärliche Art mit einer Mischung aus Lust und Besserwisserei an. »Ich habe der Köchin freigegeben. Der Risotto al Nero di Seppia ist warmgestellt. Wir haben Zeit.«
Diese gertenschlanke biegsame Zarte, kam es Elia Primo an, und er versuchte bei seiner Betrachtung ihre Augen auszusparen. Abelarda tat einen ungeduldigen Schritt auf ihn zu, hastig zog er sich die Jacke aus und schlängelte sich an ihr vorbei in den Salon. Das Feuer prasselte im Kamin, völlig unnötig, es war ja noch nicht wirklich kalt, und davor hatte sie doch tatsächlich Felle ausgelegt, die sie weiß der Teufel woher beschafft hatte. Er tat so, als würde er dieses inszenierte
Weitere Kostenlose Bücher