Die Ruhelosen
genießen. Aber was dachte er da überhaupt zusammen, es war höchste Zeit!
Annas festliche Gesellschaftsfrisur erforderte eine Ondulation der gesamten Vorderpartie in Hufeisenform von Ohr zu Ohr – und Anna verfügte über ganz reizende Öhrchen. Ferenc hatte dabei sorgfältig darauf zu achten, dass je eine der Wellen noch vor dem hübschen Fleischröllchen auf die rosa Wange fiel. Die Einteilung der Frisur hatte klar nach Schema zu erfolgen – Seitenteil links, Seitenteil rechts, Nackenpartie mit Bund und Knoten –, das überstarke Ponyhaar wickelte er mit geübter Hand nach oben auf das Eisen und legte es wie eine Rolle auf ihre flache Stirn. Danach frisierte er ihre Vorderpartie in drei Teilen auf. Die Hinterkopffrisur formte er aus einem hochgestellten hahnenkammartigen Doppeldreher, das saß wie angegossen. Dann toupierte Ferenc seiner schläfrig dasitzenden Noch-nicht-Ehefrau das linke Seitenteil und steckte es unter demBund fest. Sodann frisierte er, wie von einem Dampftriebwerk beschleunigt, das Mittelteil, indem er es andeutungsweise antoupierte und nach hinten feststeckte. Nun heizte seine innere Perfektionsmaschine erst recht auf – er verschaffte sich Kühlung, indem er sich mit der Zungenspitze an der Oberlippe berührt hielt und durch die offenen Mundwinkel Luft zu seinem dampfenden Apparat strömen ließ. Anna kannte diese Marotte ihres Verlobten und stieß sich nicht weiter daran. Hauptsache, er behielt seine Zunge für sich, wenn er den Kaiser frisierte, war einer der wenigen Sätze, mit denen sie sich überhaupt in seine Angelegenheiten einmischte – und dergestalt konzentriert, fixiert, ja fast besessen, flogen seine Hände mit Kamm und Nadel und Bürste über ihren Kopf und zelebrierten dort ihr ganz eigenes Fest. Sein Ehrgeiz hatte für sie etwas Unheimliches, Unberechenbares. Besser, man käme ihm nicht ins Gehege, wenn er so eifrig bei der Sache war. Sie wartete fügsam ab, bis er die abgebundene Strähne ebenfalls toupiert hatte und sie geschickt wie ein Bandeau nach vorn herumgelegt hatte. Nun musste er sich nur noch den Knoten vornehmen, für den er eine dreifach gedrehte Strähne und einzeln platzierte Springlöckchen vorsah. Zu guter Letzt, Anna atmete auf, kämmte er das rechte Seitenteil, das den ganzen Hinterkopf bedeckte, eingeschlagen auf, so dass der Schluss knapp hinter dem linken Ohr zu finden wäre, wo er mit einer Nadel mit Perlmuttbesatz ebenfalls festgesteckt und verdeckt wurde.
Ein Kranz von gelben Rosenblüten wurde ihr leicht angeschrägt über den Kopf gelegt und ein ausgestopfter Pirol, eine junge Goldamsel mit schwarzen Perlen als Augen, ins Bandeau fast grad wie in ein Nest gesteckt. Die gelben Blüten wie auch die goldgelben Federn des Vogels sollten sich als Thema in ihrem Kleid, dem Brauttäschchen und den mit Samt überzogenen gelben Schuhen wiederholen.Er selbst würde ein kleines feines Gesteck von Rosenknospe und Pirolfeder mit einer Nadel an seinem Anzug befestigen. Er sah sie sich an. Sie war eine Wucht. Obwohl viel zu dick für einen so bedeutenden gesellschaftlichen Tag, hatte sie doch eine umwerfende Wirkung auf ihn, als sie schließlich in aller Pracht vor ihm stand: eins achtundfünfzig, rund und eingehüllt in ein hellgelbes Brokatkleid mit Seidenchiffonärmeln, zwei Lagen Pongéseide und Seidensamt das Unterkleid, der Rocksaum mit feinen abschließenden Silberborten verziert und auf dem bestickten Mieder einzelne, mit Bedacht applizierte weiße Glastropfenperlen. Das hatte er fein gemacht mit seinem Entwurf für die Schneiderin. Ja, wenn Ferenc Schön, vierunddreißig Jahre alt, bester Friseur im ganzen Ödenburgland, heute durch sein Fernglas schaute, erblickte sein trainiertes Auge in der Frau ihm gegenüber nichts als die eigene Perfektion.
Außer vielleicht dem einen unübersehbaren Umstand, dass die Frau keine Jungfrau mehr war. Deshalb hätte er sich ja auch nicht getraut, sie in Weiß auftreten zu lassen, das hätte einfach nicht gepasst. Nicht mehr, nicht jetzt, wo es für alle Welt zu sehen war, eben mit nichts mehr zu kaschieren.
Der Arzt hatte gesagt, dass sie jederzeit niederkommen könne, es war ein Segen, dass sich diese Hochzeit in der Kürze der Zeit überhaupt noch arrangieren ließ. Hätte er das mit ihrer Schwangerschaft früher gewusst, wäre er schon früher vom Kaiserlichen Hofe zurückgekehrt. So aber … tss, nun ja, morgen schon wären sie ein ehrbares Paar, und was gewesen war, wäre aus und vorbei und bald schon
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