Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
Vom Netzwerk:
unterwegs.« Serafino krampfte die Kappe in seinen Händen zusammen und wusste nicht, wohin mit sich. Ein, zwei Momente blieb er noch wie festgebunden im Türrahmen stehen, dann wandte er sich nuschelnd ab. Er konnte es sich nicht leisten, krank zu werden, oder: schein-krank; sie hatten endlich wieder Großaufträge eingefahren, da wurde jeder Mann gebraucht. Da konnte er sich ein erneutes Schlappmachen nicht erlauben.
    Serafino erinnerte sich nur zu gut an das erste Mal, als er eine Krankheit seiner Frau einfach mitmachte. Eigentlich war es gar keine Krankheit, sondern Immaculatas erste Schwangerschaft. Das war vor etwas mehr als vierzehn Jahren gewesen, und die Erkenntnis, dass er nicht Herr über seinen eigenen Körper war, traf ihn wie eine Faust. Oder schlimmer: zwei Fäuste, ein ganzes Heer von Fäusten. Seine Immaculata war also bereits drei, vier Monate schwanger, die Rundung formte ihr einen gesunden prallen Körper, und sie ging hocherhobenen Hauptes hinunter ins Dorf, die stolzeste Schwangere, die er je gesehen hatte, er betrachtete sie so lange und gern. Ausgerechnet in dieser Zeit der Glückseligkeit kam das Unheil über ihn, innert weniger Tage quoll sein eigener Bauch auf und stülpte sich aus derHose hervor, so dass er Mühe hatte, die Schöße seines Hemdes ordentlich zu versorgen. Keiner wusste ihm einen Rat, und Immaculata staunte, hatte er sie in seinem Umfang doch recht bald schon eingeholt. Was für ein Mann war das, der seiner Frau das Kindaustragen neidete? Aber alles gute Zureden, alle zusammengebrauten Kräutergetränke und die Segenssprüche, ja selbst die Schluckbildchen mit der heiligen Maria drauf, die Immaculata und ihr Mann vom Pfarrer bekommen hatten und die sie, wie geheißen, in einer Neumondnacht gegessen hatten, nützten nichts, und da wussten Serafino und Immaculata, dass nur der Herrgott selbst ihn wieder würde erlösen können von seinem ungeheuren Fluch. Und zwar dann, wenn dieser das wollte. Der Arzt hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt, Gebärenwollen sei eine Sünde für einen Mann, dann war er abgezottelt und hatte über die Dorfbewohner leise schimpfend vor sich hergebrabbelt.
    Und so blieb Serafino nichts, als aufgedickt seinen Dienst in der Drahtzieherei zu versehen, auch wenn er sich mehrmals pro Tag, von Übelkeit überwältigt, draußen hinter der Halle übergeben musste.
    Er machte sich damit ja zum Gespött seiner Kameraden, war eine Lachnummer, Witzfigur, aber es spottete nie einer über ihn, weder in Serafinos Anwesenheit noch hinter seinem Rücken. Sie alle kannten ihn von klein auf, wussten um den Knacks, den sein Lebenslauf erfahren hatte. Wie seine Mutter war er zu einem drahtigen dünnen Menschen herangewachsen, mager und anspruchslos, und sein Gemüt war schon mit der kleinsten Kleinigkeit zu beglücken, denn: Er erwartete für sich nichts.
    Umso außergewöhnlicher sah der sonst so unauffällige Serafino mit seiner Kugel aus, die ihm in der Drahtzieherei beim Flechten von Metallstäben nicht wenig in die Quere kam.
    Gott sei Dank dauerte diese Peinlichkeit nur kurze Zeit. Nach weniger als zwei Monaten war der Spuk ebenso plötzlich vorbei, wie er gekommen war. Immaculata hatte ihm diese Episode nie vorgeworfen, kein einziges Mal, sie war noch immer das treue Mädchen aus seiner ehemaligen Klasse, die erste, der sein Fernbleiben vom Unterricht damals, nach seines Vaters Tod, aufgefallen war, und sie hatte immer nur zu ihm gehalten, ganz besonders damals, als ihnen vor acht Jahren ein Erdbeben das Häuschen pulverisierte und sie ihr Heim etwas weiter oben am Fluss Serio wieder neu, Stein für Stein, hatten aufbauen müssen.
    Glücklicherweise war Serafino später eine zweite Parallelschwangerschaft erspart geblieben, und es gab auch keine dritte oder vierte mehr, nur diese eine, erste, als seine Frau den Sohn Guerrino unter ihrem Herzen trug. Die vier Mädchen, die folgen sollten, konnte Immaculata ohne das Mitwirken ihres Mannes austragen.
    Dafür ging er bei fast all ihren anderen Krankheiten und Unpässlichkeiten mit: Wenn ihre Zeit des Monats war, verspürte auch er so etwas wie ein Ziehen in seinem Unterleib, als sie in ihrem ersten Ehejahr unter einem starken Keuchhusten litt, hustete sich Serafino während der Arbeit beinahe die Lungen heraus, und jedes Mal, wenn sie sich an irgendetwas stieß oder schnitt, spürte auch er den Schmerz gerade so, als hätte er sich selbst gestoßen oder geschnitten. Gegenüber dem Arzt, der regelmäßig zwei

Weitere Kostenlose Bücher