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Die Ruinen von Gorlan

Die Ruinen von Gorlan

Titel: Die Ruinen von Gorlan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Flanagan
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diesem alten Witz.«
    Der Waldläufer zuckte mit den Schultern und erwiderte gut gelaunt: »Der Witz scheint dieses Jahr auf deine Kosten zu gehen, Walt.«
    Während Gilan sprach, fuhr Will mit der Hand schnell, aber leise zu seinem Köcher, holte einen Pfeil heraus und legte ihn an die Sehne.
    Jetzt sprach Walt. »Wirklich, Gilan? Und welcher Witz wäre das wohl, frage ich mich?«
    Die Genugtuung in Gilans Stimme war nicht zu überhören, als er seinem alten Meister antwortete. »Komm schon, Walt! Gib es zu. Ausnahmsweise einmal habe ich dich überrascht – und du weißt, wie viele Jahre ich es schon versucht habe.«
    Walt strich sich mit einer Hand nachdenklich über den Bart. »Ich verstehe wirklich nicht, warum du es immer wieder versuchst, Gilan.«
    Gilan lachte. »Du solltest doch wissen, wie viel Vergnügen es einem einstigen Lehrling bereitet, seinen Meister zu übertrumpfen, Walt. Also komm schon, gib es zu. Dieses Jahr habe ich gewonnen.«
    Während der fremde Waldläufer noch sprach, zog Will sorgfältig den Pfeil zurück und zielte auf einen Baumstamm zu Gilans Linken. Walts Anweisungen klangen ihm noch im Ohr: Wähle ein Ziel nahe genug, um ihn zu erschrecken, wenn du schießt. Aber um Himmels willen nicht zu nahe. Wenn er sich bewegt, möchte ich nicht, dass du ihn mit einem Pfeil durchbohrst.
    Walt hatte sich von seinem Standort in der Mitte des Weges nicht fortbewegt. Gilan trat jetzt unruhig von einem Bein aufs andere. Walts Gelassenheit fing an, ihn zu beunruhigen. Plötzlich war er sich nicht mehr ganz so sicher, dass Walt sich nur aus der Situation herausmogeln wollte.
    Walts nächste Worte bestätigten seinen Verdacht.
    »Ah ja … Lehrlinge und Meister. Das ist eine eigenartige Verbindung, nicht wahr? Aber sag mir, Gilan, mein alter Lehrling, hast du dieses Jahr nicht etwas vergessen ?«
    Vielleicht war es die Art, wie Walt das Wort »Lehrling« besonders betonte, dass Gilan mit einem Mal sein Versäumnis erkannte. Er drehte den Kopf und suchte nach dem fehlenden Lehrling.
    Im selben Moment ließ Will seinen Pfeil fliegen.
    Er zischte an Gilan vorbei durch die Luft und schlug in den Baum ein, den Will ausgewählt hatte. Gilan zuckte erschreckt zurück, dann ging sein Blick sofort zu den Ästen des Baumes, wo Will sich versteckt hatte. Will bewunderte, wie Gilan trotz seiner Überraschung doch so schnell reagierte und die Richtung, aus der sein Angreifer geschossen hatte, bereits identifizierte.
    Gilan schüttelte wehmütig den Kopf. Sein aufmerksamer Blick konnte nun die kleine grau und grün gekleidete Gestalt, die sich im Laub verbarg, ausmachen.
    »Komm herunter, Will«, rief Walt. »Und lerne Gilan kennen, einen unserer sorgloseren Waldläufer.« Er schüttelte den Kopf und sagte zu Gilan: »Hab ich dir nicht als Junge schon gesagt, dass man nie zu hastig sein und nie überstürzt handeln soll?«
    Gilan nickte niedergeschlagen. Er sah noch geknickter aus, als Will vom niedrigsten Ast auf den Boden sprang und Gilan erkannte, wie klein und jung der Lehrling war.
    »Es scheint«, sagte er, »dass ich so versessen darauf war, einen alten grauen Fuchs zu fangen, dass ich den kleinen Affen im Baum übersah.« Er schmunzelte über seinen eigenen Fehler.
    »Affe, ja?«, grummelte Walt. »Ich würde sagen, er hat heute aus dir einen Affen gemacht. Will, das ist Gilan, mein früherer Lehrling und jetziger Waldläufer vom Lehen Meric – obwohl es mir rätselhaft ist, was ich getan habe, um ihn zu verdienen.«
    Gilans Grinsen wurde breiter. »Und das gerade als ich dachte, ich hätte dich hereingelegt, Walt«, sagte er fröhlich. »Du bist also Will«, fuhr er fort und reichte ihm die Hand zu einem festen Händedruck. »Freut mich, dich kennen zu lernen. Das war ein nettes Manöver, junger Freund.«
    Will grinste Walt an und sein Lehrmeister machte eine kaum merkbare Kopfbewegung. Will erinnerte sich an Walts Anweisungen: Wenn du der Sieger bist, triumphiere nicht. Sei großzügig und finde etwas an seinem Verhalten, was du loben kannst. Er wird sich nicht freuen, hereingelegt worden zu sein, aber er wird gute Miene zum bösen Spiel machen. Zeig ihm, dass du das anerkennst. Lob kann dir einen Freund gewinnen. Triumph wird dir immer nur Feinde machen.
    »Ja, ich bin Will«, sagte er. Dann fügte er hinzu: »Könntet Ihr mir vielleicht einmal beibringen, wie man sich so völlig unauffällig bewegt? Das war unglaublich.«
    Gilan lachte wehmütig. »Nicht allzu unglaublich, würde ich sagen. Du hast

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