Die Runde der Rächer
kein Spaß.«
»Aber du bist Chef der Mordkommission.«
»Leider. So wie heute. Ich denke, du solltest dir mal anhören, was einige Zeugen sagen.«
»Was denn?«
»Komm selbst.«
»Mit oder ohne Suko?«
»Das ist mir egal. Aber ich spüre das Jucken im Zeh und glaube fest daran, dass es eine Sache ist, die auch dich angeht. Möglicherweise sogar nur dich.«
»Überredet. Wohin soll ich kommen?«
Tanner sagte es mir.
Ich winkte ab, obwohl er es nicht sehen konnte. »Da hast du dir nicht eben die beste Gegend ausgesucht.«
»Weiß ich selbst, aber manchmal hat man Pech. Es ist wirklich sehr mysteriös, John.«
»Gut, ich komme so schnell wie möglich.« Wenn Tanner so sprach, dann hatte er seine Probleme. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er mich auf einen Fall gestoßen hätte.
Ich zog mich so schnell wie möglich an und telefonierte auch mit Suko. Er hatte auch geschlafen, doch seine Stimme hörte sich wesentlich frischer an als meine.
»Hast du Lust auf einen Ausflug?«, fragte ich.
»Lust nicht. Aber dich kann man ja nicht allein lassen, Alter.«
»Dann zieh dich an.«
Mir passte es nicht, dass uns Tanner in die Quere gekommen war. Ich hatte mich auf den neuen Fall konzentrieren wollen. Zwei Fälle zugleich am Hals zu haben war nicht meine Sache. Aber man kann es sich im Leben ja nicht immer aussuchen…
***
Die Gegend war wirklich nicht die beste und wahrlich kein Aushängeschild für die Millionenstadt London, aber sie gehörte dazu, denn überall gibt es Licht und Schatten.
Mit normalen Verbrechen hatten wir nur etwas zu tun, wenn sie unsere Fälle tangierten. Wir wussten auch nicht genau, was in London alles so ablief, aber das Viertel, in das wir fahren mussten, war für seine Überfälle bekannt, weil mehrere Banden es untereinander aufgeteilt hatten. Immer wieder war in den Zeitungen nachzulesen, dass es Stress und Ärger gegeben hatte. Tote waren zwar die Ausnahme, aber es gab sie immer wieder, aber auch das war nicht nur ein typisches Londoner Problem. Schlechte Straßen, eine miese Beleuchtung, alte Häuser, Hinterhöfe vollgepackt mit Wohnraum, in dem die Menschen eingepfercht waren, weil woanders die Mieten für einen Normalverdiener kaum mehr bezahlt werden konnten – all das trug dazu bei, dass die Verslumung immer weiter voranschritt. Ein Konzept dagegen hatte noch niemand gefunden. Es war immer nur bei Lippenbekenntnissen geblieben.
Es hatte zwei Tote gegeben. Dementsprechend war der Tatort abgesperrt worden. Man hatte ein rotes Band quer über die Straße gezogen. Dahinter standen die Gaffer, und an der gegenüberliegenden Seite sah es nicht anders aus.
Einige Fahrzeuge standen innerhalb der Absperrung. Wir fuhren nicht hinein, sondern stellten unseren Rover neben einem Streifenwagen ab, der von einem uniformierten Kollegen bewacht wurde. Er hielt auch ein Auge auf die Neugierigen, damit sie nicht ankamen und den Wagen angriffen oder ihren aufgestauten Hass gegen die Polizei daran ausließen.
Beim Aussteigen schon wurden wir von dem Kollegen angesprochen. »Fahren Sie zurück. Hier können Sie nicht…«
»Doch, wir können.« Suko hielt ihm bereits seinen Ausweis entgegen, den der Kollege kurz anschaute und dann nickte. »Natürlich können Sie passieren.«
»Danke.«
Ich schob mich an den Neugierigen vorbei und tauchte zusammen mit Suko unter dem Band hindurch, sodass wir jetzt freie Bahn hatten.
Natürlich war Tanner mit großer Mannschaft gekommen. Wegen der aufgestellten Scheinwerfer konnte man den Eindruck haben, dass hier ein Film gedreht wurde, aber es war leider kein Spiel, sondern verdammt bittere Realität.
Wir erlebten die Arbeit der Kollegen, die immer ein wenig nach Unordnung aussah. In Wirklichkeit allerdings wusste jeder Mitarbeiter genau, was er zu tun hatte.
Meine Müdigkeit verflog endgültig, als ich die beiden Opfer auf dem Boden liegen sah. Man hatte sie bereits abgedeckt. Weggeschafft worden waren sie deshalb noch nicht, weil der Fotograf noch Aufnahmen machte. Hier griff wieder ein Glied ins andere. Es kam die gesamte Routine der Mordkommission zum Tragen.
Innerhalb der dunklen Szenerie wirkte der Schauplatz des Verbrechens wie eine Insel, auf die man sich allerdings nicht freuen konnte, weil sie keiner Erholung diente. Ich sah einige Fahrzeuge in der Nähe stehen und hielt vor allen Dingen nach Chief Inspector Tanner, unserem alten Freund, Ausschau.
Wir hatten ihn bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Von seinen Mitarbeitern sprach
Weitere Kostenlose Bücher