Die Runde der Rächer
starrte. Sie musste einen Schock bekommen haben, der noch nicht vollständig abgeklungen war. Sie hatte auch genügend Raum zwischen sich und ihrem Freund gelassen, als wollte sie nichts mehr mit ihm zu tun haben.
In der Enge des Fahrzeugs konnte niemand entweichen, obwohl die Tür an der Seite offen stand. Zwischen uns stand ein Tisch. Tanner war draußen geblieben. Er stand an der Tür und qualmte einen seiner billigen Zigarillos, was bei ihm nicht oft vorkam. Wenn er das tat, war es stets ein Zeichen, dass er mit seinem Latein am Ende war.
Ethan Haycock’s Blick war auf uns gerichtet. Wir allerdings hatten den Eindruck, als ginge der Blick durch uns hindurch. Er saß recht steif auf der Bank. Hin und wieder strich er über sein schwarzes Haar, dem irgendein Mittel einen öligen Glanz gegeben hatte. Seinem Blick nach zu urteilen, waren wir für ihn gar nicht vorhanden.
Auch als wir uns vorstellten, erlebten wir bei ihm keine Reaktion.
»Es wäre besser, wenn wir miteinander reden würden, Mr. Haycock«, sagte ich. »Schließlich haben Sie und Ihre Freundin sich in großer Gefahr befunden.«
»Das ist vorbei«, erklärte er tonlos.
»Sicher. Nur sind zwei Leichen zurückgeblieben.«
»Und?« Er hob seine Schultern kurz an. »Ist das mein Problem, Mister?«
»Nein, das ist es sicherlich nicht. Oder jetzt nicht mehr. Aber Sie und Ihre Freundin gehören zu den unmittelbar Betroffenen, und Sie können uns dabei behilflich sein, das Problem zu hören.«
Seine Augen waren ebenso dunkel wie seine Haare. »Nein, ich kann gar nichts. Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Das ist leider nicht möglich. Nicht bei einem Doppelmord.«
»Ich war es nicht«, flüsterte er scharf und deutete auf seine Nachbarin. »Und sie hat mit den Morden auch nichts zu tun. Wir sind froh, dass wir noch leben.«
»Das bleibt Ihnen unbenommen. Darf ich dann fragen, wer Sie aus dieser Lage gerettet hat?«
»Das habe ich schon gesagt!« Seine Antwort klang patzig.
»Ich möchte es trotzdem von Ihnen hören.«
»Hauen Sie ab!«
Bisher hatte Brenda Kane noch kein Wort gesagt. Aber sie hatte uns gut zugehört. Mit barscher Stimme fuhr sie ihren Freund an: »Verdammt noch mal, warum sagst du ihm denn nichts? Es ist doch was passiert. Wir müssen uns nicht dafür schämen.«
»Sei ruhig!«
»Bin ich nicht!«
»Es geht sie nichts an.«
»Warum sollte uns das nichts angehen?«, erkundigte sich Suko.
Brenda sprach ihn an. »Ihr würdet uns nicht glauben. Aber uns haben keine Menschen gerettet. Es waren Monster.« Sie begann zu lachen und bewegte sich dabei so hektisch, dass aus dem Becher der Kaffee herausschwappte. »Ja, so ist das, verdammt. Das sind keine Menschen gewesen, sondern Kreaturen. Schreckliche Wesen. Wie… Wie…«, sie suchte nach einem Vergleich. »Wie aus einem Fantasy-Film, versteht ihr?«
»Sicher.«
»Lass dir doch nichts einreden!«, fuhr Ethan seine Freundin an. »Das hast du geträumt. Es waren nur Verkleidete, die sich hier herumgetrieben haben.«
»Nein, das waren sie nicht, obwohl sie so komische Klamotten trugen. Aber richtig verkleidet waren sie nicht.«
»Du hast nie viel Gehirn gehabt, Brenda, aber jetzt fehlt dir auch noch der Rest. Wer gut bumsen kann, muss nicht unbedingt intelligent sein.«
»Jetzt reicht’s!«, fuhr ich Haycock an. »Sie werden Ihren Mund halten, es sei denn, wir kommen auf Sie mit Fragen zurück. Zunächst mal ist Ihre Begleiterin an der Reihe.«
Haycock winkte ab und schaute auf seine Knie. Er war nicht ansprechbar. Dafür Brenda, die sich aufgeregt hatte, weil man sie so abfällig tituliert hatte.
Sie wollte ihm schon an die Wäsche, zumindest verbal, aber Suko konnte sie beruhigen.
»Bitte, regen Sie sich nicht auf. Wir sind bei Ihnen, und wir werden alles von vorn durchsprechen. Ist das okay und in Ihrem Sinne?«
»Ja.« Sie senkte den Kopf. »Danke, Sie sind ja ein richtig netter Bulle.«
»Das sind fast alle meine Kollegen. Man muss Ihnen nur höflich und normal entgegenkommen.«
Brenda schaute auf die Decke, auf der der Kaffee Flecken hinterlassen hatte. Sie nickte Suko zum Einverständnis zu und fragte: »Soll ich alles erzählen?«
»Das wäre toll.«
Brenda Kane nahm kein Blatt vor den Mund. Mir kam sie vor wie jemand, der froh war, sich eine Last von der Seele reden zu können. Was sie erlebt hatte, war einfach zu schlimm gewesen. Sie und ihr Freund waren in ein Extrem hineingefallen, das seine Spuren einfach hinterlassen musste. Sie waren keine Maschinen, sondern
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