Die Runde der Rächer
uns niemand an. Wir waren ihnen bekannt, und deshalb konnten wir uns um den Tatort herum völlig normal bewegen, wir achteten allerdings darauf, keine Spuren zu verwischen. Man kannte uns, man nickte uns zu, und die Kreidestriche auf dem alten Pflaster umgingen wir jedes Mal. Jemand war dabei, einen älteren Jaguar zu untersuchen. Der Mitarbeiter trug helle Schutzkleidung und Handschuhe.
Dann endlich ließ sich Tanner blicken. Er hatte in dem größeren Mannschaftswagen gesessen, verließ ihn gebückt, stellte sich hin, sah uns, und wir sahen ihn.
Über Tanner läßt sich viel und wenig sagen. Er war ein toller Kollege, nicht mehr der Jüngste, doch seine Erfolge konnten sich sehen lassen. Damit lag er in der Spitze.
Und er sah immer gleich aus. Schon als die Farbe Grau noch nicht modern gewesen war, hatte er sich für eine graue Kleidung entschieden. Der graue Anzug, die graue Weste und natürlich sein Markenzeichen, der Hut, dessen Sitz jeweils seine Stimmungslage weitergab. In dieser Nacht hatte er seine Kopfbedeckung recht tief in die Stirn gezogen. Ein Zeichen, dass seine Gemütslage auf Sturm stand.
Er hatte uns gesehen. Mit langen Schritten kam er auf uns zu, und diesmal fehlte sogar der kalte Zigarrenstummel zwischen seinen Lippen, der oft beim Sprechen hin und her wanderte.
»Da seid ihr ja!«
»Zu spät«, fragte ich.
»In unserem Job ist man immer zu spät.«
»Was ist mit den beiden Toten los?«, fragte Suko.
Tanner schüttelte den Kopf. Er sah aus, als wollte er lachen, ließ es allerdings bleiben und räusperte sich stattdessen. »Die beiden sind normal umgebracht worden.«
»Was heißt normal?«
»Kommt mit!«, herrschte er uns in seinem rauen Ton an. Insider ließen sich durch ihn nicht täuschen, denn hinter der Fassade verbarg sich ein sensibler Mensch, der noch immer mitlitt, wenn er mit den Angehörigen der Mordopfer sprach.
Wir gingen zu der ersten Leiche, die unweit des Jaguars lag. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit erledigt, und so konnte die Plane in die Höhe gezogen werden.
Auf dem Boden lag ein junger Mann mit blonden Haaren. Sein Gesicht zeigte noch jetzt das Erstaunen, das ihn in den letzten Sekunden seines Lebens erwischt hatte. Er war durch einen Stich in die Brust getötet worden.
Tanner berichtete, was er vom Arzt erfahren hatte. »Es ist eine Stichwaffe mit langer Klinge gewesen. Der Mann hat wirklich keine Chance gehabt.«
»Hat man Hinweise auf den Täter?«
»Abwarten, John.«
Wir gingen zur zweiten Leiche. Suko und ich waren natürlich gespannt, was Tanner noch in der Hinterhand hielt. Dass es einiges sein musste, davon gingen wir aus, sonst wären wir nicht alarmiert worden, denn Tanner hatte längst akzeptiert, dass wir auf einem Feld tätig waren, das ebenfalls zum Leben gehörte, auch wenn es für ihn noch immer nicht richtig zu begreifen war.
Auch der zweite Tote war abgedeckt worden. Als die Plane zur Seite glitt, entfernte sie sich zuerst am Kopf, und uns fiel die Blutlache auf, die sich dort ausgebreitet hatte.
»Man hat bei ihm keine Waffe eingesetzt«, erklärte Tanner. »Er wurde mit dem Kopf mehrmals auf den Boden geschlagen und so getötet. Das war ein verdammter Killer.«
Suko und ich schwiegen. Eine derartige Situation war uns nicht neu, und beide hingen wir unseren Gedanken nach. Wir hatten es uns zur Angewohnheit gemacht, uns die Mordopfer recht genau anzuschauen, und das taten wir auch hier.
Obwohl die beiden Toten verschieden aussahen, war ihnen anzusehen, dass sie zusammen gehörten. Im gleichen Alter, sie trugen auch in etwa die gleiche Kleidung, aber jemand war stärker gewesen als sie und hatte es ihnen gezeigt.
Ich hatte genug gesehen und drehte mich weg. Zusammen mit Suko, der ebenfalls nicht mehr hinschauen wollte.
»Die beiden Toten gehörten hierher«, sagte Tanner. Sie waren Mitglieder einer Bande, und der Blonde sah sich als ihr Anführer oder Chef an. Das haben wir von den Zeugen gehört, und auf Zeugen werden wir gleich noch zurückkommen.«
»Du hast von einer Bande gesprochen«, sagte Suko. »Wir müssen also davon ausgehen, dass es mehrere Mitglieder gibt.«
»Klar, gut gedacht. Sie waren hier zu viert. Zwei von ihnen konnten fliehen. Es wird allerdings kein Problem sein, sie zu finden, denn sie stammen hier aus der Gegend.«
»Dann sind das die Zeugen gewesen, von denen du gesprochen hast.«
»Nein, die meinte ich nicht.«
»Wen dann?«
Tanner schaute Suko an. »Das will ich dir sagen. »Die beiden, denen sie an
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