Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Kapitäne der Flotte waren für ihren Mangel an Takt berüchtigt, doch Revele hatte in Raed eindeutig den Jungen Prätendenten erkannt. Sie ging so feinfühlig vor wie möglich, vermittelte Merrick aber, dass sie Bescheid wusste.
Der Diakon räusperte sich und wünschte, Sorcha wäre an seiner Seite. Sie mochte nicht diplomatisch sein, verfügte aber über eine eindrucksvolle Erscheinung. »Unsere Mission ist … sensibel.« Er lächelte ein wenig bei dieser Wortwahl. »Je weniger Aufmerksamkeit also, desto besser. Solltet Ihr sogar womöglich …«
»Einen Vorwand finden, dem Kontrollturm auszuweichen?«, fragte Revele ihn direkt. Sie klopfte mit dem Finger auf den obersten Knopf ihrer Uniform. »Die
Sommerhabicht
muss ihre Ballasttanks auffüllen. Das wäre nicht gelogen und hat keine direkten Auswirkungen auf meine Befehle.«
»Der Orden würde Euer Taktgefühl zu schätzen wissen.« Merrick beugte sich vor und fügte verschwörerisch flüsternd hinzu: »Und wenn Ihr auch mit Eurer Mannschaft sprechen könntet.«
Die Kapitänin stieß einen Seufzer aus und sah ihn mit schmalen Augen an. »Meine Mannschaft weiß Geheimnisse zu hüten, aber Ihr habt nicht viel Zeit, auch wenn ich das alles tue. Die Kommandanten der Außenposten geben ihre Logbücher am Monatsende ab, also in wenigen Tagen. Sobald sie Vermillion erreichen, erfährt der General von Euren« – sie warf einen Blick zu den Kajüten – »Reisegefährten.«
Der alte Kommandant in Ulrich hatte Raed ohne Zweifel erkannt, und dadurch konnte die Sache sehr heikel werden. Den Kaiser interessierte es sicher brennend, dass der Prätendent, der Anspruch auf seinen Thron erhob, sich in Vermillion aufhielt. Wenn das, was Sorcha sagte, der Wahrheit entsprach, dann war der Mann, in den sie alle ihr Vertrauen gesetzt hatten, unaussprechlich korrupt. Merrick ballte unbewusst die Fäuste, während er überlegte, was das für das Reich bedeutete.
Revele betrachtete die Wolken und spürte, wie der Wind sich veränderte. »Landen wir also in der Reparaturwerft der Kaiserlichen Luftflotte – dort sind nicht viele Soldaten oder Offiziere. Unwahrscheinlich, dass die sich die Hände schmutzig machen wollen.«
»Wir verstehen, Kapitänin. Danke für alles, was Ihr für uns getan habt.« Er machte eine kleine Verbeugung, das Äußerste, was einem Diakon Nichtangehörigen des Ordens gegenüber gestattet war. »Jetzt muss ich meine Partnerin informieren, dass wir unser Ziel fast erreicht haben.«
Sein Magen krampfte sich zusammen, obwohl er Nynnia ihren Vater auf die Wange küssen und allein zurückkommen sah. Als sie sich zur Flugstation der Luftschiffe aufgemacht hatten, hatte sie darauf bestanden, sie zu begleiten, und niemand – nicht einmal Sorcha – hatte es ihr verwehren können. Merrick nahm ihre Hand und drückte sie. Nynnia trug Handschuhe gegen die Kälte, und er hätte gerne ihre Haut gespürt; Hautkontakt war immer das Beste.
Hautkontakt.
Wärme begann sich vom Steißbein aufwärts durch Nervenenden auszubreiten, die nicht ihm gehörten.
»Merrick«, fragte Nynnia leise. »Geht es dir auch wirklich gut?«
Es ging ihm mehr als gut, besser, als jeder normale Mensch auch nur ansatzweise verstehen konnte. Er nickte, um nur nicht den Mund zu öffnen, damit nicht womöglich ein Stöhnen statt etwas Vernünftigem herauskäme.
»Nun«, begann sie und zog ihn weiter in Richtung Kajüten, »wir sollten Diakonin Faris unverzüglich Bescheid geben, dass wir kurz vor der Landung stehen. Vater hat mir gesagt, Vermillion ist nicht mehr weit entfernt.« Als er ihre Miene sah, fragte sich Merrick, ob ihr Vater ihr nicht noch mehr erzählt hatte, aber er unterdrückte seine Neugier.
Nynnia war möglicherweise die Einzige, die
nicht
wusste, wie seine Partnerin die letzten Tage verbracht hatte. Merrick hielt sie aufgrund der Lustwellen zurück, die ihn durch die Verbindung mit Sorcha erreichten. Er räusperte sich. »Gleich. Ich glaube, wir sollten noch ein paar Minuten warten.«
Raed hörte das Klopfen an der Tür, hob seufzend den Kopf und schaute zu Sorcha hinüber. Ohne Rüstung und Umhang – vollkommen nackt, um genau zu sein – war die Diakonin unglaublich schön und wirkte ungewöhnlich verletzlich. Sie hatte sich im Bett zusammengerollt, und ihre bronzefarbenen Locken lagen ungezähmt auf ihrem weißen Rücken, der noch immer von einem dünnen Schweißfilm glänzte. Auf ihren Lippen stand selbst im Schlaf ein leichtes, zufriedenes Lächeln. Ein Künstler
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