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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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zog Merrick auf die Beine. Hinter ihr nahm Garil langsam und mit einer Behutsamkeit, die Raed nur bei Pionieren gesehen hatte, die mit Schießpulver hantierten, die Riemen ab, gab Merrick seinen zurück und stieß einen langen Atemzug aus.
    Dann lächelte der alte Diakon Sorcha mit echter Wärme an und schloss sie fest in die Arme. Als er sich aus der langen Umarmung löste und ihr in die Augen sah, hatte seine Miene sich verändert. »Warum bist du zurückgekommen, kleiner Rotschopf? Warum, da es hier nur den Tod für dich gibt?« Es war kaum die Begrüßung, die Raed erwartet hatte, und die Worte trafen ihn.

Kapitel 20
Die Entäußerung bejahen
    Die Erinnerung an die Anderwelt verblasste bereits, während die Wärme in Sorchas Fingerspitzen zurückkehrte. Sie hatte glücklicherweise nach dem ersten Aufblitzen von Weiß nichts mehr gespürt. Ihre Kehle war rau, als hätte sie gebrüllt, aber was immer sie an Schmerzen auf der kurzen Reise in die Welt des Geistes erlebt hatte, blieb ihr nicht im Gedächtnis. Und wenn sie sich nicht daran erinnern konnte, spielte es auch keine Rolle, zumindest was sie betraf. Für Merrick würde es ganz anders sein.
    Ihre Verbindung zeugte von seinen heftigen Qualen. Einzig seine Stärke hatte sie beide vor dem echten Tod bewahrt; zitternd hatte er sie kurz vor dem Sturz in die Anderwelt festgehalten. Es war die Art von Trick, die für gewöhnlich nur Partner riskiert hätten, die seit vielen Jahren zusammenarbeiteten. Sorcha lächelte ihn mit rauen Lippen an. »Ihr wart brillant, Merrick – einfach brillant.«
    Der junge Mann stieß taumelnd einen heiseren Seufzer aus. Raed fasste ihn am Ellbogen und führte ihn zu dem Stuhl links neben dem Kamin. »Danke, Sorcha«, stieß Merrick hervor. »Freut mich, dass es Euch gefallen hat. Aber wenn Diakon Reeceson uns nicht hätte zurückrufen können …«
    »Aber das hat er.« Raed drückte Merricks Schulter und sah Sorcha tief in die Augen. »Das hat er.«
    »Genug davon«, blaffte Garil mit einem scharfen Unterton, den sie selten gehört hatte. »Es gibt weit Wichtigeres zu bedenken.«
    Über manches wurde im Orden nicht gesprochen, über bestimmte Gaben außerhalb der bequemen Grenzen, die die Mutterabtei gesteckt hatte. Als Sorcha aufstand, schwindelte es sie noch immer von ihrem eisigen Ausflug in die Anderwelt, doch ein Blick in Garils Augen zeigte ihr, dass er endlich bereit war, seine Gabe einzugestehen.
    Sie hatte Hinweise darauf erhalten, aber nie mit ihm darüber gesprochen. Es schien ihm immer Angst zu machen, was er in der Zukunft sah – selbst wenn es für ihre Arbeit sehr nützlich gewesen war.
    »Was hast du gesehen?«, murmelte sie, obwohl Merrick und Raed zwangsläufig hörten, was sie sagte. Sie ergriff die Hand ihres alten Partners, der zitternd auf dem Stuhl am Feuer saß. »War es das, worüber du mit mir hattest sprechen wollen?«
    Sie wusste, dass ihre Finger eisig waren, aber seine waren genauso kalt. »Was hast du in der Anderwelt gesehen, Sorcha?«, fragte er erschöpft.
    »Nichts.« Sie stieß ein Lachen aus, obwohl ihr Magen plötzlich voller Galle war.
    »Und Ihr, junger Diakon?« Der durchdringende Blick des grauäugigen Alten richtete sich auf Merrick. »Ihr müsst gesehen haben!«
    Ihr Partner wandte den Kopf ab, und echte Furcht strömte durch ihre Verbindung – nicht die Furcht eines ausgebildeten Diakons, der sich jeder Aufgabe gewachsen gezeigt hatte, sondern die eines Kindes: vernunftlose Furcht, die aus dem Unterbewusstsein hochkroch.
    Sorcha konnte sich immer noch an diese Art Panik erinnern, die sie einst wie eine mächtige Welle überkommen hatte. Damals war sie ein einsames Kind gewesen, der Obhut des Ordens überlassen und allenfalls fünf Jahre alt, doch die Erinnerung war noch frisch. Pareth, die Jugendpresbyterin, eine schöne dunkelhaarige Frau, die nach Honig und Wärme roch, war der einzige Mensch, der ihr je eine Art Mutter gewesen war. Eines Morgens hatte Sorcha zwei Novizen im Garten über die Anderwelt reden hören, über Tod und Geister. Obwohl sie ihr Leben lang Schatten gesehen hatte, hatte sie sie nie zuvor mit dem Tod in Verbindung gebracht. Als sie in dieser Nacht eingeschlafen war, hatte die Erkenntnis sie beschlichen – die Erkenntnis ihrer eigenen Sterblichkeit und der ihrer Betreuerin. Sie war schreiend erwacht und zu Pareth gelaufen, die an einem Feuer wie dem von Garil gesessen hatte. Sorcha hatte in ihre Röcke geschluchzt und gebettelt, die Existenz des Todes zu

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