Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Zerstörung aus. Sorcha fragte sich kurz, wie Raed sich in diesem Ding fühlen mochte. Berauschend und beängstigend zugleich – diese Antwort erreichte sie schwach durch ihre frisch geformte Verbindung.
Mit einem Knurren, das die Luft erzittern ließ, sprang die Bestie vom Felsen und durchs Feuer von Yevah, wobei sie die Überreste von Raeds Kleidung abschüttelte. Rune wie Rossin waren aus der Anderwelt, doch die Rune war nur ein kleines Hindernis für einen so großen Geist. Die Bestie fiel wie ein dunkler Sturm über den abtrünnigen Diakon her. So gewaltig war ihr Kiefer, dass sie den Mann mit einem einzigen knochenzerschmetternden Biss zerfleischte. Er hatte gerade noch Zeit für einen entsetzten Schrei. Sorcha zuckte zusammen, wandte den Blick jedoch nicht ab. Der Mann war ein Narr gewesen, ein gefährlicher Narr.
Jetzt war sie allein mit der Bestie, die sie an einer äußerst dünnen Leine hielt. Frisch geformte Verbindungen schienen zu zerbrechlich zu sein, um das Leben daran zu hängen. Sorcha strich sich das Haar aus der Stirn und rang ihren Fluchtimpuls nieder. Würde sie weglaufen, wäre ihr Leben definitiv vorbei – wahrscheinlich schon nach ein paar Schritten. Langsam bückte sie sich und hob Raeds Säbel vom Boden auf. Er lag schwer in ihrer Hand – eine unwirkliche Art von Beruhigung.
Das große Tier sah sie über eine dunkle Schulter an, und letzte, zuckende Flammen von Pyet spiegelten sich in seinen Augen. Die Muskeln unter dem dicken Fell waren angespannt. Die Bestie war gerüstet, und ihr Blick schien zu sagen, Sorcha solle ihr besser schnellstens ein Angriffsziel verschaffen.
Sorcha atmete tief durch, beschwor ihre Runen und hob die Hände. Die Macht von Chityre donnerte mit der Stärke von zwanzig Rammböcken in die Mauern. Stein und Mörtel zerbarsten in einer Trümmerwolke. Das Prasseln des ringsum herabregnenden Mauerwerks war ohrenbetäubend.
Doch sie hörte noch immer das Brüllen der Bestie, die Zufriedenheit einer Kreatur, die ihrem einzigen Instinkt zu folgen bereit war. Der Rossin war entfesselt. Der Staub hatte sich noch nicht gelegt, als er schon mit großen Sätzen ins Kloster sprang.
Kapitel 15
Ein Opfer an die Dunkelheit
Der Rossin war frei. Beinahe. Die feuerhaarige Diakonin, die ihn gebunden hatte, folgte ihm auf dem Fuß. Er hörte sie hinter sich rennen, um ihn einzuholen. Wie es sich gehörte. Wie es einst gewesen war – als Menschen dem Rossin gedient hatten wie in der Anderwelt. Er wusste noch nicht, wie sie hieß, aber sobald er ihren Namen kannte, würde es eine andere Art Kette geben, denn ihre jämmerliche Verbindung war nicht genug, um ihn zu halten. Sollte sie doch denken, ihre winzige Bindung zu dem Foki lasse sie verschont bleiben. Für den Moment erfüllte sie ihren Zweck.
Tief im Innern spürte der Rossin die Kämpfe der menschlichen Foki. Der uralte Feind, die Familie, die seinen Namen und seine Macht gestohlen und ihn angekettet hatte, musste jetzt leiden. Aber der Rossin hatte drängendere Anliegen. Er witterte Beute in der unmittelbaren Umgebung, heiß und warm und voller Blut. Das große Gebot trieb ihn an wie immer – sich zu ernähren und stark zu werden. Die gewaltigen Zähne zu einem Knurren gebleckt, das beinahe ein Lächeln war, sprang er aus den Trümmern.
Sobald er die Staubwolken und eingestürzten Mauern hinter sich gelassen hatte, nahmen die außerordentlichen Sinne des Rossin das Rasen menschlicher Herzen und das Fließen menschlichen Bluts viel deutlicher wahr. Diakone – aber nicht von der Sorte, die ihm folgte. Diese hier stanken nach Anderwelt und Verzweiflung. Jahrhunderte zuvor hatte es viele ihrer Art gegeben. Bevor der Orden gekommen war.
Die Menschen kamen herausgerannt, stießen die Hände in ihre Handschuhe und bereiteten sich darauf vor, jedem Angriff zu begegnen. Sie erwarteten keinen Geistherren. Der Rossin machte sich über sie her, noch während sie ihm ihre mickrigen Runen entgegenwarfen, bloße Schatten der echten Macht der Anderwelt.
Er verschlang mehr als nur ihr Fleisch; er jagte sie über das Gelände, weidete sich an ihrem Entsetzen. Ihre Schreie erfreuten ihn, während er sie mühelos tötete und ihre Schatten als zerbrochene Scherben in die Anderwelt sandte, in das Reich, das ihm verwehrt war. Ihr Schmerz war köstlich für ihn, aber keine Entschädigung für das, was ihre Art ihm genommen hatte. Die Erinnerung ließ den Rossin wieder aufheulen, während er jedes Stück Fleisch in Reichweite zerriss.
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