Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
Vom Netzwerk:
entscheiden, ob das ihr selbst oder einem von ihnen galt.
    Schließlich ging ihr die Puste aus, und Merricks Stimme nahm das Heft in die Hand. »Nennt das Wesen, das Ihr beschwören wolltet.« Sein Ton war erstaunlich gebieterisch, und Raed war sich seltsam sicher, dass er dem jungen Mann automatisch antworten würde, wenn der ihm eine Frage in diesem Ton stellen würde. Dieser Bursche hatte ungeahnte Tiefen.
    Sorcha trat hinter ihren Partner und legte ihm sacht die Hand auf die Schulter. Ihr Gesichtsausdruck war eher besorgt als grimmig.
    »Kann nicht.« Diese Worte klangen auf nie gehörte Weise flehend und verzweifelt. Ganz offensichtlich hatte der Tod Aulis einiges von ihrem Selbstvertrauen geraubt.
    »Nennt es!« Merricks Stimme war wie ein Peitschenhieb.
    »Weiß nicht. Wir wussten nicht. Wir bekamen nur Anweisungen.«
    Hinter dem Riemen flackerte unruhig das blauweiße Licht, als wehte es in einem fernen Wind. Merrick straffte sich – anscheinend hielt er Aulis’ Schatten durch schiere Willenskraft zusammen. »Und wer hat Euch diese Anweisungen gegeben?«
    Jetzt zuckten und schwankten seine Schultern, und seine obere Körperhälfte wollte von dort fliehen, wo seine Füße wie angewurzelt standen. Doch Aulis konnte nicht entkommen. Sie tat Raed beinahe leid … beinahe.
    »Der Endlose Knoten.« Die Worte drangen wie ein Fluch aus Merricks Kehle.
    Sorcha sah Raed verständnislos an, aber er zuckte nur die Schultern – ihm sagte der Name auch nichts.
    »Lasst mich los, lasst mich los«, keuchte Aulis’ Stimme durch die Kehle des jungen Diakons.
    Doch jetzt war es an Sorcha, eine Frage zu stellen, und sie wählte eine gute. »Warum hat der Kaiser zu Hastler gesagt, er soll nur zwei Diakone schicken?« Sie räusperte sich und sah kurz auf ihre Stiefel, während sie nach den nächsten Worten suchte. »Ist er mit Euch im Bunde?«
    Die trockenen Schluchzer einer alten Frau schüttelten Merricks Körper – ein wahrlich seltsamer Anblick. Es wurde noch schlimmer, als aus dem Schluchzen ein Lachen wurde, das nicht aufhören wollte.
    »Kann sie nicht mehr lange halten«, keuchte der junge Diakon und schlang die Hände noch fester um den Riemen. Diese Geste kam Raed eigenartig kindlich vor. »Antwortet. Antwortet, oder ich werde Euch verschlingen.«
    Raed hatte noch nie von so etwas gehört, aber es schien die erwünschte Wirkung zu haben.
    »Nein«, heulte Aulis.
    »Eine Antwort, und Ihr könnt gehen. Die richtige Antwort!«
    Ein tödliches Grinsen breitete sich auf Merricks Gesicht aus, eines, das Raed gerade erst bei Aulis gesehen hatte. Die Wirkung war beängstigend. »Diese Frage solltet Ihr Großherzogin Zofiya stellen.«
    Sorcha fuhr zurück, als wäre sie geschlagen worden.
    Das Gelächter hielt an, und die letzten Worte wurden mit entsetzlichem Vergnügen hervorgestoßen. »Ihr denkt, Ihr habt den Krieg gewonnen? Dumme Diakone – das war nur ein Scharmützel. Bei diesem Krieg werdet Ihr noch wünschen, Ihr wäret wieder hier … bei mir.«
    Ein langes, gurgelndes Stöhnen, ein ersticktes Würgen, und Merrick hustete einen feinen Nebel aus. Eine schwache Brise erhob sich plötzlich und verwehte ihn. Raed wollte nicht wissen, ob der Geist in die Anderwelt hinübergegangen oder vernichtet worden war. Das war Sache der Diakone.
    Merrick wischte sich feine Schweißperlen von der Stirn. Der Junge wirkte immer noch zittrig, und Raed hätte dem Diakon eine Schulter angeboten, erkannte aber dessen zerbrechlichen Stolz und nickte ihm stattdessen respektvoll zu.
    »Das hasse ich so an den verdammten Schatten.« Sorcha trat mit kaum verhohlenem Zorn einen Stein aus dem Weg. »Immer diese kryptischen Antworten! Was hat die Großherzogin mit der ganzen Sache zu tun?«
    »Ich glaube, da können wir helfen.« Nynnia erschien in der zerstörten Tür und hatte ihren Vater untergehakt. So zart sie war, sah es doch aus, als hielte sie einen großen Teil von Kyrix’ Gewicht. Der Alte hatte Prellungen im Gesicht und hielt die Arme um den Leib geschlungen. Raed erkannte an ihm die Spuren einer ordentlichen Abreibung – er hatte genug Männer seiner Besatzung in ähnlichem Zustand vom Landgang zurückkehren sehen.
    Sorchas Miene war unbezahlbar; sie hatte für das Mädchen nichts übrig und zeigte das auch ganz offen. Sie mochte nicht gewünscht haben, dass Nynnia tot unterm Schutt lag, aber sie hatte zweifellos gehofft, sie wäre davongelaufen. Doch als Raed in die dunkelbraunen Augen des Mädchens schaute, sah er keine Angst.

Weitere Kostenlose Bücher