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Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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prächtiger als selbst der echte Nachthimmel. Dann verblassten alle Sterne bis auf fünf. Diese wurden heller und lösten sich vom Himmel. Der junge Diakon streckte die Hand aus, und sie kamen zu ihm geflogen, drehten sich um seine ausgestreckten Finger, bildeten einen Kreis und funkelten hell und lieblich, doch irgendwie wurde Merrick bei ihrem Anblick übel. Das war er beim Tragen des Riemens nicht gewöhnt.
    Er war an Zeichen und ihre Deutung gewöhnt – nicht aber an das Gefühl, nicht allein zu sein, das ihn jetzt überkam.
    Als Kind hatte er einmal seine Mutter im Markttreiben verloren. Während er allein durch die Straßen gewandert war, hatte er hinter sich Schritte gehört und war losgerannt. Aber der Schatten hatte ihn gejagt, und obwohl seine Mutter ihn schließlich gefunden hatte, war diese Erinnerung noch immer mächtig. Er verspürte wieder diese Furcht – bis ins Mark. Und so floh sein Geist in einer unverhohlenen Panik, die seine Tutoren in der Abtei zur Verzweiflung getrieben hätte. Als seine Disziplin angesichts einer solch drohenden, primitiven Kraft ins Wanken geraten war, hörte er sie – Worte in einem Raum, wo keine hätten sein sollen.
    Komm zu uns zurück, Bruder. Komm zurück …
    Es war eine Stimme von solcher Sehnsucht und Vertrautheit, dass er sich umdrehte. Der junge Diakon erblickte einen Mann, der in Dunkelheit gehüllt und von Sternen umkränzt war. Merrick hatte gerade noch Zeit, sein habichtartiges Profil und die Augen auszumachen, die auf ihn gerichtet waren.
    Dann rief die wirkliche Welt. Merrick keuchte auf und spürte, wie ihm die Sicht tief aus dem Leib gerissen wurde. Als er den Riemen herunterzerrte, dauerte es einen Moment, bis der Schwindel weit genug nachgelassen hatte, um die Frau vor sich klar zu erkennen.
    Kapitänin Vyra Revele hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Verdammt, das tut mir leid …«
    »Das sollte es auch«, blaffte Merrick und staunte über seine Verärgerung. Sein Herz schlug immer noch schnell, und er musste sich die feuchten Hände an der Hose abwischen. In Kapitänin Reveles Augen sah er, wie er wirken musste, und war nicht erfreut darüber. Die Kapitänin der
Sommerhabicht,
eine attraktive Frau, war ihnen gegenüber auf der Reise stets höflich gewesen und hatte ihnen bei ihrer früheren Begegnung geholfen und dabei Leben und Patent riskiert. »Es tut mir leid, Kapitänin.« Er erhob sich aus dem Schneidersitz und glitt aufs Deck. »Wenn ich die Runen benutze, vergesse ich manchmal meine Manieren.«
    In ihrer schicken Uniform der Kaiserlichen Luftflotte, das kurze, dunkle Haar vom Wind zerzaust, war sie ein Teil ihres Schiffs, hatte jedoch nicht die leiseste Ahnung von der Welt, in der er sich bewegte. Ihr Lächeln war zögerlich. »Ich habe nicht gesehen, dass Ihr es wart, Diakon Chambers. Ich dachte, einer meiner Männer würde sich vor seinen Pflichten drücken.«
    Er lachte und versuchte, seine letzten Ängste zu zerstreuen. »Das würde sicher keiner von Euren Leuten wagen.«
    Sie neigte den Kopf zur Seite, nickte langsam, sagte jedoch nichts. Aus irgendeinem Grund schienen ihr plötzlich die Worte zu fehlen, und Merrick suchte krampfhaft nach etwas, um diese rätselhafte Pause zu füllen.
    »Also, Kapitänin Revele …«
    »Ihr dürft mich Vyra nennen«, sagte sie, während sie über das Deck nach vorn gingen, wo sich beobachten ließ, wie das Luftschiff durch die Wolken glitt.
    Merrick hörte den Ton in ihrer Stimme, eine leichte Dringlichkeit, die ihm Unbehagen bereitete. Also tat er das, wozu er ausgebildet worden war – er stellte sich der Situation. »Es ist ein wunderbarer Zufall, dass ausgerechnet die
Sommerhabicht
uns nach Süden bringen soll.«
    Vyra lehnte sich gegen die Seile. »Ich gestehe, Diakon Chambers …«
    »Ihr dürft mich Merrick nennen.«
    »Das wäre unpassend – und gegen die Vorschriften.« Sie stand plötzlich militärisch stramm und warf ihm dann einen weiteren Blick zu. »Aber vielen Dank. Ich muss gestehen, dass ich mich deshalb freiwillig mit der
Sommerhabicht
gemeldet habe, als die Aufträge verteilt wurden.«
    »Warum habt Ihr das getan? Diese Delegation zu befördern, muss die langweiligste Verwendung sein, die man sich für ein Kaiserliches Luftschiff nur vorstellen kann.«
    Vyra zuckte die Achseln. »Ich habe so das Gefühl, Diakon Chambers, dass es dort, wo Ihr und Eure Partnerin hingeht, nie langweilig ist.«
    Merrick stieß den Atem aus. Er hatte befürchtet, das Interesse der Kapitänin

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