Die russische Herzogin
spielte sie mit einem der gläsernen Briefbeschwerer, die in einer dekorativen Reihung auf Karls Schreibtisch standen. Dass Karl so heftig reagieren würde, nur weil Wera mit Eugen nach Ludwigsburg gefahren war, hätte sie nicht gedacht. Was würde erst sein, wenn er erfuhr, dass sich Wera in den Mann verliebt hatte?
»Aberist Ihnen auch bekannt, dass es heißt, es gäbe einen kleinen Buben, der Herzog Eugen verdächtig ähnlich sieht? Es handelt sich dabei um den Sohn eines Kammerfräuleins, wenn ich das anmerken darf.«
»Nichts als Gerüchte«, wiederholte Olly, doch ihre Stimme war nicht mehr so fest wie zuvor. Karls Adjutant wusste in der Regel recht gut über die Vorgänge am Hof Bescheid …
»Fragen Sie Cäsar von Beroldingen. Er wird Ihnen dasselbe berichten. Man munkelt außerdem, dass der Kleine nicht das einzige Kind mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Herzog Eugen ist, vielmehr –« Wilhelm brach ab, als es an der Tür klopfte. Es war Evelyn.
»Verzeihung, Hoheit, aber Prinzessin Katharina wünscht Sie zu sprechen …«
»Katharina ist da? Wir haben uns doch erst gestern auf dem Ball gesehen. Hat sie gesagt, was sie möchte?«
»Was wird meine liebe Schwester schon wollen? Entweder irgendwelche Vergünstigungen oder sich über jemanden oder etwas beschweren.« Karl schnaubte.
»Sie sprach von einem Sondierungsgespräch, welches sie gern mit Ihnen beiden führen würde«, erwiderte Evelyn in neutralem Ton.
Olly schaute erst sie, dann Karl irritiert an. »Vielleicht bin ich ein wenig begriffsstutzig – was will sie sondieren?«
Karl lachte brüsk auf. »Das kann ich dir genau sagen: Ich wette mit dir, Katharina will sich in den Heiratsmarkt rund um unsere Tochter einmischen. Nachdem sie gestern auf dem Ball mit eigenen Augen gesehen hat, dass aus Wera eine brauchbare Heiratskandidatin geworden ist, will sie uns bestimmt ein paar ihrer Ansicht nach geeignete Kandidaten präsentieren und sich dabei wichtigmachen.«
Wie vom Donner gerührt schaute Olly ihn an.
»Möglich wäre das schon … Gestern Abend bin ich von verschiedenenDamen auf Wera angesprochen worden. Alle haben sich sehr positiv über sie geäußert und mit einem wissenden Zwinkern angedeutet, dass gewiss bald die Bräutigamschau beginnen würde.«
»Du hast diese vorwitzigen Gänse, die ihre langen Hälse überall hineinstecken müssen, doch hoffentlich in ihre Schranken gewiesen?«
»Natürlich«, sagte Olly irritiert. Dass es Wera selbst nicht schnell genug mit einer Heirat gehen konnte, würde Karl noch früh genug erfahren …
Karl beugte sich über den Schreibtisch hinweg zu ihr.
»Eins sage ich dir: Ich werde nicht zulassen, dass man um Wera schachert wie um Ware auf einem orientalischen Bazar! Vielmehr werde ich alles daransetzen, dass unsere Tochter ihren zukünftigen Ehemann aus freien Stücken und gemäß ihren Neigungen wählen darf. Diese elenden Zwangsheiraten aufgrund irgendwelcher Übereinstimmungen im Familienstammbaum sind völlig unnatürlich und bringen nichts als Unglück über die Betroffenen. Schau dir doch an, was aus uns geworden ist! Willst du das Wera wirklich antun?«
*
»Wie kann er so gemein sein? Nach allem, was ich für ihn getan habe? Er …« Ollys weitere Worte gingen in einem erneuten Weinkrampf unter.
Hilflos strich Evelyn der Königin über den Rücken. Noch nie hatte sie die Zarentochter so aufgelöst erlebt, wie weggeblasen war jedes bisschen Contenance. Olly lag auf ihrem Bett und heulte wie ein Schlosshund.
Mit erstarrter Miene war Olly aus Karls Amtszimmer gerannt, Eve hatte Mühe gehabt, ihr nachzueilen. Wortlos hatte Olly die Hofdame Taube ignoriert, die ihnen mit einem Stapel Unterlagen in der Hand entgegenkam. Auch Evelyn hatte die Hofdame abgewiesen. Nicht jetzt! In der Sicherheit ihres Schlafzimmers war Ollys starre Miene in tausend Fragmente zerfallen. Weinend hatte sie sich aufsBett geworfen und war seitdem für keine guten Worte mehr empfänglich.
Evelyns Blick fiel auf die Uhr neben Ollys Bett. Ob Prinzessin Katharina noch immer im Grünen Salon wartete? Eigentlich sollte sie zu ihr gehen und ihr mitteilen, dass sich die Königin unwohl fühlte und man das Gespräch verschieben müsse. Doch sie wollte Olly nicht einmal für diese kurze Zeit allein lassen. Wilys Mutter würde schon von selbst merken, dass auf ihre Anwesenheit heute niemand sonderlichen Wert legte.
Mit tränennassen Augen schaute Olly endlich auf.
»Das Schlimmste ist, dass ich bis zum heutigen Tag
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