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Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Titel: Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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auslösen.
    »Das ist die Kapselspannung der Leber, normal bei Gelbsucht«, informierte mich AIPler Harald.
    »Haben Sie Ihre Patientin nach Gallensteinen gefragt, Herr Kollege?«
    »Herr Kollege« ist im Medizinerdeutsch die wörtliche Übersetzung für »Blödmann«. Frau Schön konnte das nicht wissen, hilfreich sprang sie ein.
    »Gallensteine habe ich schon immer, Herr Doktor. Die müssen aber nicht raus, hat mein Hausarzt gesagt.«
    Harald schaltete für seine Verhältnisse ziemlich schnell.
    »Den Schein für ein Oberbauchsono habe ich am Freitag abgeschickt.«
    Mag sein, er hatte wirklich den Auftragsschein für eine Ultraschalluntersuchung des Bauches von Frau Schön ausgefüllt und sogar abgeschickt. Dieser Schein würde jetzt auf einem großen Stapel ähnlicher Anforderungsscheine in unserer gastroenterologischen Abteilung liegen und warten müssen, bis er dran war. Frau Schöns Bauch konnte aber nicht so lange warten. Ich ließ Harald das schwere Ultraschallgerät von Marlies' Station ankarren, einen unhandlichen alten Kasten mit den Ausmaßen einer kleineren Gefriertruhe.
    Ein dicker fetter Gallenstein saß direkt im Ductus choledochus, kein Tröpfchen Galle würde an ihm vorbeikommen in den Darm, wohin es gehörte. Also hatte die Galle einen anderen Ausweg gefunden und den direkten Weg ins Blut genommen, die Ursache für die »Gelbsucht« in diesem Fall. Drei Stunden später war Frau Schön dank unserer Chirurgen ihren Gallenstein los, und am nächsten Tag, als ich sie mit AIPler Harald auf der Chirurgie besuchte, kaum noch gelb. Sie bedankte sich überschwenglich bei Harald, daß er sich so aufopferungsvoll um sie gekümmert habe. Harald strahlte.
    Wie gesagt, durch Frau Schön und ihre Gelbsucht hatte sich mein schlechtes Gewissen wieder gemeldet. Das Patientenarchiv hatte mir noch immer nicht Mischa Tschenkows stationäre Akte vom vergangenen Oktober geschickt. Ich rief an – und erreichte sogar jemanden.
    »Sie müssen mir einen Anforderungsschein runterschicken, Herr Doktor, sonst kann ich gar nichts tun. Das wissen Sie doch«, antwortete eine wenig enthusiastische Stimme.
    »Na klar weiß ich das. Habe ich vor drei Tagen gemacht.«
    »Dann müßte er ja hier sein.«
    »Hören Sie, ich schicke Ihnen einen neuen. Können Sie bitte trotzdem die Unterlagen schon einmal heraussuchen?«
    »Wie eilig ist das, Herr Doktor? Es ist Urlaubszeit, und wir sind schlecht besetzt.«
    »Ich brauche die Unterlagen trotzdem.«
    »Ist der Patient wieder stationär?«
    »Nein, er ist tot.«
    »Dann werden Sie ein paar Tage Geduld haben müssen. Sie können gerne runterkommen und sich den Stapel Anforderungen angucken, der hier liegt. Wir sind im Moment nur zwei Leute im Archiv, da haben wir mehr als genug mit den akuten Wiederaufnahmen zu tun. Das müssen Sie verstehen, Herr Doktor.«
    Im Rahmen seiner Sparmaßnahmen hatte Dr. Bredow, unser kaufmännischer Direktor, die Stellen im Archiv mehr als halbiert. Ich konnte der Tante am anderen Ende der Leitung keinen Vorwurf machen und füllte brav einen zweiten Anforderungsschein aus.
    Die Organisation der OP für Frau Schön hatte meinen Zeitplan ziemlich durcheinandergebracht. Als ich schließlich meine Patienten mit halbwegs ruhigem Gewissen ihrem Schicksal für die Nacht überlassen konnte, hatten die Leute von der Putzkolonne schon ihre Arbeit aufgenommen. Auf meiner IIIb putzte wie immer Jurek, soviel ich wußte, auch aus Rußland oder aus der Ukraine.
    Jurek sprach ein paar Brocken Deutsch, und wenn immer ich ihn sah, fragte ich ihn wenigstens, wie es ihm gehe, und wünschte ihm einen guten Tag. Ich hatte aber keine Vorstellung über sein Leben vor Deutschland. Hatte er zu Hause sein Geld auch mit Putzen verdient? Oder war er dort ein wichtiger, aber jetzt nicht mehr benötigter Fachmann für die Flugbahnen von Interkontinentalraketen gewesen oder ein hochdekorierter Physiker aus ihrem Atombombenprogramm?
    Er trug eine einteilige blaue Montur mit dem gelben Logo auf dem Rücken: »CareClean: Sauberkeit ist unser Job«. Verwaltungsleiter Bredow hatte, wie für die Küche, auch für das Putzen ein Fremdunternehmen unter Vertrag genommen. Kostenersparnis.
    »Wie geht's, Jurek?«
    Schon, daß wir diese Menschen, wenn überhaupt, nur bei ihrem Vornamen kennen, ist nicht in Ordnung.
    »Danke, Herr Doktor. Gut. Gut. Muß gehen.«
    Seine Aussprache war deutlich besser geworden seit unserem letzten Gespräch. Aber das war sicher auch schon Monate her.
    »Kannten Sie den

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