Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
auf. Er schmeckte großartig, was sicher nicht zuletzt auf das Etikett zurückzuführen war.
Natürlich wollte ich Celine gleich von dem Etikettenschwindel berichten. Sie würde sich freuen, zeigten sich doch endlich Hinweise auf ein Komplott, und sie könnte mit Beate die Blutbankkonten in Bredows Buchhaltung unter die Lupe nehmen. Aber Celine war nicht erreichbar. Sofort erinnerte mich mein Großhirn an den möglichen neuen Liebhaber.
Ebensowenig traf ich Margret bei meiner täglichen Nachfrage in der Blutbank an. Sie habe sich krank gemeldet, berichteten ihre Kolleginnen. Ich wollte ihre Vermutungen nicht wissen, warum Dr. Hoffmann sich plötzlich wieder so intensiv um ihre Chefin kümmerte, jetzt, wo Dr. Bredow tot und Margret wieder frei war. Unter ihrer Privatnummer bekam ich Margret auch nicht. Jedesmal erklärte mir ihr Anrufbeantworter, daß ich eine Nachricht hinterlassen könne. Das tat ich, aber sie rief nicht zurück.
Dienstag nachmittag hatte ich frei und traf mich mit Celine und ihrer Steuerberater-Beate bei Luigi. Die letzten Tage waren wenig sommerlich gewesen, doch an diesem Nachmittag konnte man wieder draußen sitzen. Luigi hatte auch Beate sofort in sein italienisches Macho-Herz geschlossen. Er scharwenzelte um die beiden herum, als hätten sie ein Sechs-Gänge-Menü bestellt. Sie tranken aber nur einen Cappuccino.
Celine stellte mich ihrer Freundin Beate vor. Eine hübsche kurzhaarige Blondine mit etwas zu knappem Baumwollkleid, das sie immer wieder in Richtung Knie ziehen mußte.
Ich bestellte mir auch einen Cappuccino, und wir machten uns an die Arbeit. Beate balancierte den dicken Stapel Computerausdrucke auf ihrem Schoß, auf dem Bistro-Tisch war gerade Platz für die Tassen und Luigis obligate Blumenvase. Sie hatte sich erst einmal mit der offiziellen Buchhaltung über die letzten drei Jahre beschäftigt und legte gleich los.
»Vor zwei Jahren wurde die Klinik privatisiert, und verschiedene Dienstleistungen, die bis dahin direkt von der Klinik erbracht worden waren, wurden an Fremdfirmen vergeben. Das wißt ihr. Patienten- und Personalverpflegung übernahm die Firma Hospital Catering Service, die Gebäudereinigung die Firma CareClean, die Aufgaben der Wäscherei die Firma Flecklos. Auch Röntgen und Labor wurden eigenständige Unternehmungen. Das Ziel war, Kosten zu reduzieren, da Fremdfirmen in der Regel billiger sind als eigenes Personal. Und tatsächlich kam es anfangs zu einer deutlichen Einsparung in diesen Bereichen, so zwischen zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent. Aber die Einsparungen reichten nicht, um die sinkenden Einnahmen aufzufangen. Die Klinik kam tief in die roten Zahlen.«
»Und sie war«, ergänzte Celine, »letztes Jahr im März ziemlich pleite.«
»Richtig«, stimmte Beate zu. »Celine hat ja schon herausbekommen, wie Ihr Verwaltungsdirektor dann versucht hat, die Etatlöcher über kurzfristige Spekulationen aufzufüllen. Was er da genau gemacht hat, ist noch nicht ganz klar. Zum Schluß scheint es jedenfalls in die Hose gegangen zu sein, und die Klinik hat nur überlebt, weil irgend jemand im letzten Dezember drei Millionen eingeschossen hat. Und von da an passiert etwas Eigenartiges: Die Ausgaben der Klinik stiegen von Monat zu Monat.«
»Die Gehälter aber bestimmt nicht«, warf ich ein, »das hätte ich gemerkt.«
»Richtig«, antwortete Beate, »die Gehälter sind es nicht. Es ist viel spannender. Plötzlich scheint sich das ganze Konzept, Kosten über die Fremdfirmen einzusparen, ins Gegenteil verkehrt zu haben, denn seit letztem Dezember werden die Rechnungen von CareClean, den Cateringleuten, der Wäscherei und so weiter jeden Monat höher. Die letzten Buchungen sind von diesem Juni. Und da zahlt die Klinik den Fremdfirmen inzwischen mehr als das Doppelte von dem, was sie letztes Jahr gezahlt hat.«
Beate zeigte uns die entsprechenden Stellen auf dem Computerausdruck, den sie weiter auf den Knien balancierte. Sie kämpfte tapfer mit hochrutschendem Kleid und herunterrutschendem Papierstapel, zum Schluß lagen die Computerausdrucke auf dem Boden. Ich zog einen zweiten Tisch heran.
»Also muß die Klinik wieder ins Defizit gerutscht sein«, meinte ich.
»Ist sie aber nicht«, antwortete Beate. »Die Klinik gibt ständig mehr Geld aus. Die Einzelbeträge sind gar nicht so hoch, aber wenn man dieses Jahr auf den vorliegenden Daten hochrechnet, sind es am Ende über zehn Millionen mehr als letztes Jahr. Trotzdem hat Ihre Klinik plötzlich keine Probleme
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