Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
ist sauber. Kein AIDS, keine Hepatitis, sogar die Blutgruppe stimmt.«
Michael hatte recht, ich war enttäuscht. Andererseits, was hatte ich erwartet? Doch wohl kaum, daß alle Blutkonserven meiner Klinik infiziert sind.
»Ich habe sie mir nicht einfach genommen, Margret hat sie mir gegeben. Sie muß doch einen Grund gehabt haben!«
»Hatte sie vielleicht auch. Oder sie hat einen bösen Fehler gemacht. Es geht allerdings nicht um das Blut.«
Ich muß ziemlich verständnislos geschaut haben, Michael grinste breit über das ganze Gesicht.
»Fällt dir noch was anderes ein?«
»Fällt mir nicht. Laß es endlich raus!«
Aus demselben Kühlschrank, aus dem er das Bier geholt hatte, nahm er jetzt meine Blutkonserve. In das Handwaschbecken daneben ließ er warmes Wasser einlaufen und stellte die Flasche in das Wasser.
»Jetzt nur noch einen ganz kleinen Augenblick Geduld, mein Freund. Extra für dich habe ich die Konserve wieder in den Zustand versetzt, in dem du sie gebracht hast. Vor unseren Tests hatten wir deine Blutkonserve zum Anwärmen ins Wasserbad gestellt, so wie jetzt – und siehe da – Simsalabim!«
Er nahm die Flasche aus dem Wasser und stellte sie vor mich auf den Tisch. Ich konnte nichts entdecken.
»Gut, ich kürze die Sache ab. Wir hatten die Flasche länger im Wasserbad, da ging es von selbst.«
»Was ging von selbst?«
»Paß auf!«
Die Blutkonserve trug das übliche Etikett mit Seriennummer, Blutgruppe und Untergruppen, Haltbarkeitsdatum. Mit einem triumphierenden Lächeln zog Michael das Etikett ab.
»Simsalabim, die zweite!«
Jetzt war es einfach zu erkennen. Unter dem abgezogenen Etikett war ein zweites Etikett. Mit kyrillischer Beschriftung.
»Eine eigenartige Art von Recycling, meinst du nicht? Ist deine Klinik inzwischen so sparsam geworden, daß sie gebrauchte Transfusionsflaschen aus dem Ostblock importiert?«
Ich berichtete, was Margret mir neulich über diesen Boris mit seiner Kette von Blutbanken in Osteuropa erzählt hatte. Michael hörte mit wachsender Spannung zu.
»Unglaublich, deine Sparkommissare in der Klinik, schmuggeln Blutkonserven aus dem Ostblock!«
Wir wurden ganz euphorisch. Michael, weil er nun endlich etwas gegen Intimfeind Dohmke in der Hand zu haben schien, und ich sah Licht im Dunkel der Merkwürdigkeiten um Mischas Tod. Michael verlangte nach Champagner. Während er begann, seine Bestände zu inspizieren, kamen mir plötzlich Zweifel.
»Sag mal – ist es denn illegal, Blutkonserven zu importieren?«
Michael war fündig geworden und stellte eine Flasche Champagner mit einer gewissen Heftigkeit auf einen Labortisch.
»Du bist ein mieser Spielverderber! Aber wahrscheinlich hast du recht. Schließlich leben wir im Zeitalter der Globalisierung. Nichts wird mehr da verbraucht, wo es hergestellt wird. Wenigstens muß es vorher einmal um den Globus wandern. Den Reis, den wir in Asien kaufen, schicken wir mit einem Uncle-Ben's-Etikett dahin zurück. Warum sollte das denn bei Blutkonserven anders sein?«
Unsere, besser Michaels, aufregende Entdeckung schien sich in Nichts aufzulösen. Blieb noch die Frage, ob wir den Champus trotzdem aufmachen sollten. Michael war dagegen. Ich versuchte, ihn wieder aufzumuntern.
»Sie haben immerhin das russische Etikett überklebt. Das ist zumindest grobe Täuschung.«
Michael blieb skeptisch. »Na und? Sagte ich doch. Würdest du dir Blut aus einer kyrillisch beschrifteten Flasche infundieren lassen?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber es könnte doch um den Veredelungsfaktor gehen. Sicher verdoppelt oder vervierfacht das deutsche Etikett den Wert jeder Blutkonserve. Das ist so, als beklebst du türkisches Olivenöl mit Etiketten aus Lucca.«
Michaels Miene hellte sich wieder auf, mit diesem Vergleich konnte er etwas anfangen. Schließlich holt er sich sein Olivenöl jeden Herbst selbst aus Lucca und stopft den Rest seines Kombis mit altem Balsamico-Essig und Vino voll.
»Stimmt. Das dürfte das kleine, aber feine illegale Detail sein, das wir der Bande nachweisen müssen!«
Wir waren begeistert von der Idee, daß man mit Blutkonserven durchaus einen schwunghaften Handel aufziehen konnte. Solange Deutschlands Autofahrer weiter auf freie Fahrt für freie Bürger bestehen, ist die Nachfrage enorm, und das stützt die Preise. Vielleicht lag hier die Erklärung, warum Mischa auf meiner Station und die Patientin auf der Gynäkologie Blut mit der gleichen Seriennummer bekommen hatten.
Michael machte den Champagner jetzt doch
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