Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
gleiche Problem, denke ich, Margret. Soll man sich einschüchtern lassen? Ist das Problem damit erledigt, und man ist raus aus der Sache? Oder wird es schlimmer, und der ersten Einschüchterung folgt eine zweite und eine dritte, weil naturgemäß auch die Probleme derer, die dich einschüchtern wollen, zunehmen? Es ist wie bei einer Erpressung – wie kann ich sicher sein, daß meine einmalige Zahlung an die Erpresser wirklich die letzte war und nicht der Beginn einer lebenslangen Ratenzahlung?«
Es entstand eine lange Pause. Auf dem Balkon über uns wurden Tisch und Stühle wieder auf ihre angestammten Plätze geschoben. Ich war nicht sicher, ob Margret mir überhaupt zugehört hatte, und bekam fast einen Schreck, als sie plötzlich antwortete.
»Das ist keine so große Sache, das mit den Blutkonserven.«
Es entstand wieder eine Pause. Ich gab Margret Zeit, weiterzusprechen. Aber es kam vorerst nichts mehr.
»Margret, es scheint doch ziemlich klar, was diese Blutkonserve mit dem überklebten kyrillischen Etikett bedeutet – wir füllen unsere Patienten in der Klinik mit Blut aus der Ukraine ab, nicht wahr? Da kam doch dein Freund Boris mit den Blutbanken in Osteuropa her? »
Margret hob die Schultern.
»Und – wenn es so wäre? Vielleicht kommt es auch aus Rußland oder Weißrußland oder Kasachstan. Blut ist Blut, den Patienten kann es ziemlich egal sein, wo es herkommt. Es gibt einfach nicht genug Blutkonserven aus Deutschland. Früher haben wir das Blut aus der DDR importiert.«
»Aus der DDR?«
»Ja, jahrelang. Wußtest du das nicht? War eine wichtige Devisenquelle für die Genossinnen und Genossen. Aber jetzt haben sie die D-Mark auch ohne Blutspenden, und mit ihren neuen Autos brauchen sie das Blut selber. An ihre Stelle ist Osteuropa getreten. Außerdem ist Blut dort viel billiger als in Deutschland. Es ist nicht illegal, Blut zu importieren.«
»Aber – warum dann das Überkleben der Etiketten?«
Margret antwortete mit der gleichen Gegenfrage wie neulich Michael Thiel.
»Würdest du dir Blut aus einer kyrillisch beschrifteten Flasche infundieren lassen?«
»Jedenfalls keines mit Hepatitis!«
»Wie kommst du auf Hepatitis?«
Ich erzählte ihr, warum ich neulich wegen der Kontrollnummer der Blutkonserve nachgefragt hatte. Ich erzählte ihr von Mischa. Von der unnötigen Bluttransfusion, von seiner Toteinlieferung. Und davon, daß sein Blut voll von Hepatitis C war.
Margret trank ihren Wein aus und schenkte sich gleich einen neuen ein.
»Aber das kann nicht sein, Felix. Die Blutkonserven sind nicht aus Deutschland, sie sind falsch etikettiert. Das ist richtig. Aber sie sind sauber. Sie werden in Rußland, in der Ukraine, im Ursprungsland jedenfalls, getestet. Und sie werden alle noch einmal von uns getestet. Die Sache ist vielleicht nicht ganz sauber, aber die Blutkonserven sind es. Das kannst du mir glauben. Ich leite diese Blutbank. Ich würde doch keinen Menschen infizieren wollen. Glaubst du das etwa, Felix?«
»Nein, das glaube ich ganz sicher nicht. Aber dieser Mischa war mit Hepatitis C voll bis zum Stehkragen. Michael Thiel hat sein Blut untersucht.«
»Nun wird mir dein Kreuzzug langsam klar. Trotzdem, Felix, du bist auf der falschen Spur. Ich habe keine Ahnung, wo sich dein Patient seine Hepatitis geholt hat. Aber sicher nicht von der Blutkonserve. Die war von uns getestet.«
Ich war verwirrt, aber erleichtert. Wie gesagt, auch wenn ich nicht wirklich Schuld an Mischas unnötiger Bluttransfusion hatte, so war er doch mein Patient gewesen. Ich erzählte Margret, was mich verwirrte: Warum hatte jemand die Sektion verhindert, warum stimmte bei ihr die Kontrollnummer seiner Blutkonserve nicht? Könnte jemand die Kontrollnummer in ihrem Rechner geändert haben?
Margret überlegte.
»Ich weiß nichts über die Sache mit der Sektion. Und die Kontrollnummer? Der Rechner hat einen eigenen Zugriffscode, aber natürlich kennen den eine ganze Menge Leute. Jedenfalls alle, die in der Blutbank arbeiten.«
»Auch dein Freund Boris?«
»Hm – glaube ich nicht. Von mir hat er ihn jedenfalls nicht.«
»Er könnte sich doch den Code gemerkt haben, als du ihm seinerzeit das System erklärt hast, oder?«
»Möglich wäre es, im Prinzip. Trotzdem, ich glaube, es ist einfach ein Zahlendreher. Wie auch immer, ganz sicher war auch diese Konserve von uns getestet. Und sauber. Das kann ich dir garantieren.«
Es klang logisch. Man kann eben mal ein paar Tonnen Dioxin auf einer Mülldeponie
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