Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
verschwinden lassen oder radioaktiven Abfall in der Nordsee, aber niemand würde verseuchte Blutkonserven in der eigenen Klinik transfundieren. Und erst recht nicht weiterverkaufen, wenn man an einem längerfristigen Geschäft interessiert war.
»Margret, ich habe eine Frage. Egal, ob das mit den russischen Blutkonserven illegal ist oder nur ein bißchen illegal: Warum machst du dabei mit? Das ist doch, so wie ich dich kenne, überhaupt nicht dein Stil.«
Margret faltete die Hände.
»Ich bin weiß Gott nicht stolz darauf, in die Sache verwickelt zu sein. Es hat eher zufällig begonnen, im Sommer vor zwei Jahren. Wie üblich, gab es zur Ferienzeit kaum noch Blutkonserven. Ich hatte den ganzen Tag kreuz und quer durch Deutschland telefoniert, überall die gleiche Situation. Da kam Boris vorbei – wir wollten eigentlich ausgehen – und meinte, kein Problem, und am nächsten Abend konnten wir einen Kühlcontainer voll mit allen Blutgruppen vom Flugplatz abholen. Wahrscheinlich hat das sogar jemandem das Leben gerettet, unsere Reserven waren praktisch auf Null.«
»Und dann wurde eine Dauereinrichtung daraus?«
»Das ist meine Schuld. Ich habe Knut Bredow davon erzählt, auch, daß die Konserven viel billiger sind als in Deutschland. Und Knut mußte jede Chance wahrnehmen, den Kliniketat zu entlasten«, sie lächelte in der Erinnerung, »wir nannten es später immer ›Die russische Spende‹.«
»Die russische Spende?«
»Ein kleiner Beitrag unserer neuen Freunde im Osten zur Stützung unseres Kliniketats, sagte Knut. Ich habe dir schon neulich gesagt, daß er Kopf und Kragen riskiert hat, um die Klinik vor dem Bankrott zu retten. Und damit auch eure Jobs!«
Es war nicht der richtige Zeitpunkt, mit Margret über Bredows Motive für die Geschäfte mit russischen Blutkonserven und sein Jonglieren mit unseren Gehältern an der Börse zu diskutieren. Natürlich sollte der Kliniketat ausgeglichen werden, in letzter Konsequenz aber war es Bredow um sich selbst gegangen, um die eigene Zukunft, nicht um unsere Jobs. Er hatte sich als kompetenter Manager in einem unterfinanzierten Gesundheitssystem profilieren wollen, wobei die erfolgreiche Sanierung unserer maroden Klinikfinanzen nur eine Empfehlung für höhere Aufgaben in diesem System sein sollte. Im Augenblick wollte ich Margret ihre Version der Geschichte nicht verderben.
»Aber Knut Bredow ist tot, Margret.«
Margret stand auf, der Bademantel öffnete sich ein wenig.
»Da hast du recht. Er ist tot.«
Ich erhob mich auch.
»Eine Sache noch, Margret. Wieviel Blutkonserven verbrauchen wir eigentlich im Monat in der Klinik? Ich meine, lohnt sich der ganze Aufwand?«
Margret zog den Frotteegürtel fest.
»Felix, ich werde mich gerne bei Professor Dohmke erkundigen, ob du ein Recht hast, unseren Bedarf an Blutkonserven pro Monat zu erfahren. Und wenn das so ist, drucke ich dir eine Liste aus, für jeden Monat des Jahres. Aber jetzt bin ich müde. Ich gehe ins Bett, und du fährst zu dir nach Hause. Und ich bitte dich, mich nie mehr zu besuchen. Das neulich, nach der Beerdigung von Knut, das war in Ordnung. Ich brauchte Trost, und du hast mich getröstet. Aber, wie gesagt, kümmere dich um dein Leben, und halte dich aus meinem raus.«
Sie brachte mich zur Tür.
»Noch etwas, Felix. Wenn du einen Kreuzzug führst, vergiß nicht: Es sind in der Hauptsache schuldlose Unbeteiligte, die in Kriegen und Kreuzzügen sterben.«
Hinter mir verriegelte sie die Wohnungstür und legte die Kette wieder vor. Kurz darauf stand ich auf der Straße. Das Bonhoeffer-Ufer ist eine ruhige Wohnstraße, bürgerliche Gegend. Ich schaute mich nach meinem Wagen um und brauchte nicht lange zu suchen – zum Glück hatte ich ihn nicht weit von Margrets Haustür geparkt.
Wie erwähnt, handelt es sich bei meinem vierzehn Jahre alten Golf weiß Gott nicht mehr um ein Schmuckstück, aber jetzt waren zusätzlich noch die Scheibe der Fahrertür wie auch die Heckscheibe eingeschlagen worden, Glassplitter übersäten alle Sitze. Als Zugabe hatte man eine fette Ratte malerisch auf den Fahrersitz drapiert. Ich brach einen kleinen Zweig von der Kastanie vor dem Haus ab und stocherte vorsichtig herum, wenigstens war die Ratte tot.
Die Uhr zeigte kurz vor Mitternacht, kaum die richtige Zeit für eine komplette Innenreinigung. Ich faßte die Ratte am Schwanz und legte sie in den Rinnstein, mit dem Handfeger aus dem Kofferraum fegte ich die Glasscherben wenigstens vom Fahrersitz. Nach getaner Arbeit
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