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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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riechen. Das ist es, was uns verbindet. Ihre Angst und die Begierde, die tief in uns schlummert. Auch in ihr, sie weiß es nur noch nicht.
    Mit keuchendem Atem springe ich einige Stufen nach oben. Ich will in ihr Territorium. Ich will die Frau, will sie jagen, erlegen, erobern – so, wie sie mich will. Doch im letzten Moment ducke ich mich in die düsteren, kalten Schatten des Treppenhauses, nur wenige Stufen von ihr entfernt.
    Sie steht an der Tür. Ihr Schatten macht die Nacht noch etwas dunkler. Ihr Geruch ist überwältigend. Schweiß, Angst und der süße Duft einer Frau, den sie zwischen den Schenkeln mit sich trägt. Ich kann ihr Herz schlagen hören. Das rhythmische Pulsieren des Lebens.
    Ich will sie, jetzt und sofort und hart. Doch sie ist noch nicht dazu bereit, wie faules Obst gepflückt zu werden.
    Für Sekunden treffen sich unsere Blicke in der Schwärze. Es ist, als würden mich ihre schlanken, kühlen Finger liebkosen, ihr Atem meinen Nacken kitzeln und ihre Hände jenen Teil meines Körpers erkunden, nach dem sie sich so verzehren wird. Dann geht sie in die Wohnung zurück. Ihr Schatten verschwindet.
    Ich presse meine Lippen zu einer harten Linie zusammen, um nicht frustriert loszubrüllen. Mit einem warmen Strahl markiere ich ihr Revier, das jetzt meines ist. Sie soll wissen, zu wem sie gehört … dass sie mir gehört.
    Leise ziehe ich mich zurück. In dieser Nacht werden wir beide in unseren Träumen nach dem anderen verlangen. Der Regen ist kalt, doch vermag er meine Glut nicht zu kühlen.

    ***

    Am nächsten Morgen sitzt David wieder an der Anlegestelle. Sein Kopf ist voll von den Träumen der Nacht und fühlt sich wie ein Ballon kurz vor dem Platzen an.
    Er kann sich nicht mehr an diese Träume erinnern. Die Bilder sind verschwommen und tauchen lediglich als hässliche Nebelfetzen am Rande seines Bewusstseins auf. Er weiß, dass er von Frank geträumt hat. Von Frank … und einer Frau.
    Als er an diesem Morgen aufwachte, fühlte er sich müde, geradezu erschöpft, und ihm war kalt. Zudem bedeckte ein widerwärtiger, saurer Geruch seinen Körper. Er befürchtete schon, sich eine Krankheit zugezogen zu haben, ein Umstand, der in einer Welt wie dieser schnell zum Tod führen kann. Doch nachdem er sich noch eine weitere Stunde unter die Decke gekuschelt und anschließend sein Frühstück eingenommen hat, fühlte er sich merklich besser. Selbst die ihn verhöhnenden Fragmente seines Traumes waren verschwunden, so dass David seine anfängliche Besorgnis mit einem Kopfschütteln abtat, sein Gewehr reinigte und lud und in die Stadt ging.
    Die Luft ist frisch und sauber, wie immer nach dem Regen. An Tagen wie diesem hat er immer das Gefühl, sich auf einer von Morgentau benetzten Wiese zu befinden, den schweren Geruch von Erde und das sanftere Aroma von Blumen in der Luft.
    Vom träge dahinfließenden Fluss steigen fahle Nebelschwaden auf und erinnern ihn an Seelen, die aus ihren Körpern fahren; nur, dass diese Seelen die Erde verlassen.
    Es ist kalt. Zum ersten Mal muss er sich eine Jacke überziehen. Er sitzt da und starrt zu den Ruinen der Häuser auf der anderen Flussseite. Manchmal bildet sich David ein, Lärm in den dunklen Schluchten zu hören: Das Dröhnen von Motoren, Stimmengewirr. Dann versucht er, sich vorzustellen, wie die Menschen einst wie Ameisen auf den Straßen und in ihren Büros planlos umhergerannt sind, ohne sich einander zu kennen oder zu sehen; jeder auf sich selbst fixiert, mit seinen eigenen Gedanken und eigenen Ängsten. Der andere existiert nicht. Man läuft aneinander vorbei, inmitten der Menge, und ist doch alleine.
    Er kann sich daran erinnern, dass er früher genauso war. Eine kleine Ameise in einer Stadt, deren Grenzen unerreicht zu sein schienen und deren Gestank ihn am Abend fast um den Verstand brachte. Und dennoch ist David zufrieden gewesen, inmitten der vielen Anonymen und Irren, denn er war einer von ihnen, unscheinbar und unauffällig. Er tat, was alle taten, und war wie sie. Niemand beachtete ihn, er war jemand ohne Namen. Er gehörte zu ihnen, zu dieser gestaltlosen Masse, die sich Tag für Tag durch die Häuserschluchten wälzte und sich in stickige, dunkle Räume schob, in denen man den Rest des Tages mit Sinnlosigkeiten verbrachte. Er gehörte dazu, und das machte ihn zufrieden; nicht glücklich, aber zufrieden. Mehr war für jemanden wie David nicht erreichbar.
    Was für ein Narr er doch gewesen ist!
    Die Welt musste erst untergehen, damit David
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